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Pompeius' Flucht (VII 647-697)

Gründe, die die Erzählstimme für Pompeius' Flucht angibt:

... nec derat robur in enses
ire duci iuguloque pati uel pectore letum.
sed timuit, strato miles ne corpore Magni
non fugeret, supraque ducem procumberet orbis;
Caesaris aut oculis uoluit subducere mortem.
nequiquam, infelix: socero spectare uolenti
praestandum est ubicumque caput. sed tu quoque, coniunx,
causa fugae uoltusque tui fatisque negatum
parte apsente mori ...

Pompeius' Flucht ist eine historische Tatsache, und Lucan kann natürlich den Lauf der Geschichte nicht ändern. Schließlich ist das Epos so etwas wie heute ein historischer Roman, darin kann man alles mögliche erfinden, weitere Protagonisten, Charakterzüge, Motivationen, Nebenschauplätze, Reden, Gespräche, Gedanken, aber natürlich nicht den Ereignisrahmen. (Das heißt, kann man schon, nur ist es dann eben kein historischer Roman mehr.) Will Lucan Pompeius positiv darstellen, muß er also dieser Flucht irgendeinen positiven Aspekt abgewinnen. Also: Es hätte ihm nicht an Stärke gefehlt, selbst den Tod zu suchen; aber er fürchtet, daß dann das ganze Restheer statt zu fliehen über seiner Leiche hingemäht wird. Oder er will seinen Tod den Augen Caesars entziehen. Aber natürlich spielt auch die Gattin eine Rolle bei der Etnscheidung zur Flucht. Und natürlich das Schicksal, das es Pompeius abschlägt, fern von seiner Frau zu sterben. Gegen den letzteren Grund ist schwerlich etwas einzuwenden. Lucan gibt sich redlich Mühe, Pompeius' Flucht nicht nur nicht als feige, sondern gar noch als verantwortliches Handeln hinzustellen. Überzeugend ist es nicht. Überzeugt sind auch nicht Beobachter innerhalb der Erzählung: Das Wort des Potheinos über Magnus (506-509):

... fugit ora senatus,
cuius Thessalicas saturat pars magna uolucres,
et metuit gentes quas uno in sanguine mixtas
deseruit, regesque timet quorum omnia mersit,

zeigt, in welchem Licht die Ereignisse den zeitgenössischen Figuren der Erzählung erscheinen. Mit dem Wort deseruit kann es jedenfalls keinen Zweifel an der moralischen Qualität der Flucht geben: Pompeius hat die verbündeten Völker "im Stich gelassen". So sorgt die Erzählstimme versteckt für die Widerlegung ihrer eigenen, ohnedies nicht eben überzeugenden, Darstellung und Bewertung. Die Frage nach Pompeius' Schuldigwerden in der Flucht bleibt offen. Und sein Tod, in den er sehenden Auges geht, obwohl er abermals fliehen könnte, erscheint in einem anderen Licht, wird zur Sühne. Diesmal, kann man sich als Leser denken, wird er nicht fliehen, noch einmal wird er dem Schicksal nicht auszuweichen versuchen (VIII 575):

sed cedit fatis classemque relinquere iussus
obsequitur, letumque iuuat praeferre timori.

"Aber er gibt seinem Schicksal nach und folgt dem Befehl, das Schiff zu verlassen. Er freut sich, dem Tod gegenüber der Furcht den Vorzug zu geben."





Lucan -- Plutarch

Anläßlich der Frage, wie denn andere antike Autoren Pompeius Verhalten nach der Niederlage beurteilen, habe ich mir mal Plutarchs Parallelbiographien vorgenommen und ein bißchen die Pompeiusbiographie durchstöbert. Zwar hält sich Plutarch mit einer Bewertung der Flucht zurück (Pompeius wird von Plutarch insgesamt positiv dargestellt); spannend ist jedoch der Befund, daß mehrere Passagen zwischen Lucan und Plutarch bis in einzelne Formulierungen hinein aufeinander bezogen werden können. Es klingt, als hätte Plutarch bei Lucan abgeschrieben. Das hat er sicher nicht getan, aber beide dürften aus denselben Quellen (dafür käme etwa der bei Plutarch namentlich genannte, leider bis auf Fragmente nicht erhaltene Asinius Pollio in Frage) geschöpft haben. Ich erlaube mir mal die Muße, dem im einzelnen nachzugehen:

Es fängt damit an, daß auch bei Plutarch Pompeius von seinen Anhängern zur Schlacht gedrängt wird. Freilich beschreibt Plutarch die Entwicklung ein bißchen anders, als bei Lucan dargestellt. Nach Aukunft des Biographen kommt Pompeius ein Gerede unter Offizieren seiner Reiterei zu Ohren: sobald man Caesar erledigt habe, müsse man auch Pompeius beseitigen. In dieser Darstellung beargwöhnen die Anhänger der Senatspartei also die allzu große Machtstellung ihres Anführers. Vielleicht habe Pompeius, so Plutarch weiter, auch deswegen Cato für nichts kommen lassen und ihn mit der Beaufsichtigung des Gepäcks an der Küste zurückgelassen: damit dieser ihn nach dem Sieg gegen Caesar nicht zwingen könne, sein eigenes Kommando niederzulegen. Vorwürfe wären laut geworden, Pompeius diene nicht Rom, sondern folge seiner eigenen Agenda (ὡς οὐ Καίσαρα καταστρατηγῶν, ἀλλὰ τὴν πατρίδα καὶ τὴν βουλήν, ὅπως διὰ παντὸς ἄρχῃ, "daß er nicht gegen Caesar, sondern gegen sein eigenes Vaterland zu Felde ziehe, damit er sein Amt für immer behalte"). So oder so, Pompeius muß, will er nicht seine eigenen Offiziere gegen sich aufbringen, sozusagen den Beweis erbringen, daß die Anschuldigungen gegen ihn haltlos sind. (Übrigens werden bei Plutarch dieselben Akteure, die den Heerführer zum Losschlagen zwingen, später, nach der Katastrophe, alles besser wissen und Pompeius Vorhaltungen zu seiner Strategie machen.)

In VII, 428--431 reflektiert die Erzählstimme darüber, was die beiden bei Pharsalos aufeinander losgehenden Heere zusammen unter gemeinsamer Führung alles hätten erreichen können. Statt die Parther zu besiegen und die Skythen, statt die Grenzen des Imperium Romanum bis nach Indien auszudehnen, zieht es die Weltmacht Rom vor, sich selbst zu zerlegen. Genau dieser Gedanke findet sich auch bei Plutarch (Pompeius, 70,2--3):

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>ὅπλα γὰρ συγγενικὰ καὶ τάξεις ἀδελφαὶ καὶ κοινὰ σημεῖα καὶ μιᾶς πόλεως εὐανδρία τοσαύτη καὶ δύναμις αὐτὴ πρὸς ἑαυτὴν συνέπιπτεν, ἐπιδεικνυμένη τὴν ἀνθρωπίνην φύσιν, ὡς ἐν πάθει γενομένη τυφλόν ἐστι καὶ μανιῶδες. ἦν μὲν γὰρ ἤδη καθ’ ἡσυχίαν χρῄζουσιν ἄρχειν καὶ ἀπολαύειν τῶν κατειργασμένων τὸ πλεῖστον καὶ κράτιστον ἀρετῇ γῆς καὶ θαλάσσης ὑπήκοον, ἦν δ’ ἔτι τροπαίων καὶ θριάμβων ἔρωτι βουλομένους χαρίζεσθαι καὶ διψῶντας ἐμπίπλασθαι Παρθικῶν πολέμων ἢ Γερμανικῶν. πολὺ δὲ καὶ Σκυθία λειπόμενον ἔργον καὶ Ἰνδοί, καὶ πρόφασις οὐκ ἄδοξος ἐπὶ ταῦτα τῆς πλεονεξίας ἡμερῶσαι τὰ βαρβαρικά. τίς δ’ ἂν ἢ Σκυθῶν ἵππος ἢ τοξεύματα Πάρθων ἢ πλοῦτος Ἰνδῶν ἐπέσχε μυριάδας ἑπτὰ Ῥωμαίων ἐν ὅπλοις ἐπερχομένας Πομπηΐου καὶ Καίσαρος ἡγουμένων, ὧν ὄνομα πολὺ πρότερον ἤκουσαν ἢ τὸ Ῥωμαίων; οὕτως ἄμικτα καὶ ποικίλα καὶ θηριώδη φῦλα νικῶντες ἐπῆλθον.

"Denn die miteinander verwandten Waffen, verbrüderten Reihen, gemeinsamen Feldzeichen, dieser Mut und diese Gewalt einer einzigen Stadt gingen auf sich selber los und zeigten damit die menschliche Natur auf, die in der Leidenschaft blind und rasend ist. Ihnen war doch, wenn sie nur gewollt hätten, in Ruhe das Eroberte zu beherrschen und zu genießen, das meiste und beste an Land und Meer untertan; und wenn sie ihrer Lust auf Beute und Triumphe frönen wollten, hätten sie ihren Durst mit Parther- und Germanenkriegen löschen können. Auch gab es noch genug Werke zu vollbringen bei Skythen und Indern, und über die Gier hinaus ist der Vorwand, Barbaren zu bezähmen, nicht ganz ehrlos. Welcher skythische Reiter, welche parthischen Pfeile, welche Mittel Indiens hätten siebzigtausend Römer unter Waffen aufgehalten, die von Caesar oder Pompeius angeführt worden wären? deren Namen [diese Völker] früher gehört hatten als den Roms, so wilde und verschiedenartige und unzivilisierte Völker hatten sie auf ihrem Marsch unterworfen."

(Da mein Griechisch nur diy-Qualität hat, bin ich um Hinweise dankbar, warum τυφλόν und μανιῶδες neutrum sind, obwohl sie sich doch nur auf ἀνθρωπίνην φύσιν beziehen können.)

Die nächste "Konkordanz" (um es mal so zu nennen) findet sich in einer Szene im achten Buch, wo die überlebenden Senatoren und Pompeius nach der Flucht beraten, was nun zu tun sei. Pompeius schlägt vor, die Parther (ja, ausgerechnet die) als Bündnispartner im Kampf gegen Caesar zu gewinnen. Davon rät Lentulus (den wir schon kennen, das war der Konsul, unter dem der Bürgerkrieg ausbrach) entschieden ab: So schlimm, daß man schon die Parther zu Hilfe holen muß, ist die Lage nicht; wer sich mit den Parthern einläßt, macht sich zu deren Sklaven, da braucht man nicht mehr von Freiheit zu schwafeln; wenn Pompeius, den der Partherkönig zu fürchten gelernt hat, jetzt als dessen Bittsteller zu ihm kommt, wird das dem Herrscher zu Kopf steigen; die Parther sind Barbaren; der König wird verlangen, daß Pompeius sich vor ihm erniedrigt; und sollen etwa Parther die geschlagene Wunde eher rächen als Rom selbst es tut? Sollen diese Völker nicht lieber keinen Wind von Pompeius' Niederlage bekommen? Der einzige Trost Roms ist doch, keinem König zu dienen; sollen wir jetzt Roms Tore für Barbaren öffnen und den Feldzeichen folgen, die die Parther einst den beiden Crassi abgenommen haben? Und überhaupt, glaubt Pompeius wirklich, er, der als einziger König in Thessalien nicht dabei war, wird jetzt gemeinsame Sache -- mit dem Verlierer machen? Außerdem taugen die Parther nicht für den Kampf, sind unzuverlässig, feige, zwar feine Bogenschützen aber lausig im Schwertkampf, neigen zur Flucht, halten nicht stand, lassen sich leicht abwehren; und schließlich ist Pompeius' Schicksal ja noch das leichtere: mehr als den Tod hat er nicht zu erleiden, aber Cornelia? Die losen Sitten der Parther sind wohlbekannt, sie treiben Vielweiberei und Inzest obendrein: nach Pomepius' Tod wäre Cornelia die tausendste unter tausend Frauen des Herrschers, wobei der Umstand, daß sie die Gattin eines Crassus war, sie dem König unter allen seinen Frauen zur reizvollsten machen würde.

Bei Plutarch findet sich Pompeius' Überlegung wieder, zu den Parthern zu fliehen (Pompeius, 76,3-4):

οὐ μὴν ἀλλ’ ἐκ τῶν παρόντων κρίνειν τι καὶ πράττειν ἀναγκαζόμενος, ἐπὶ τὰς πόλεις περιέπεμπε· τὰς δ’ αὐτὸς περιπλέων ᾔτει χρήματα καὶ ναῦς ἐπλήρου. τὴν δ’ ὀξύτητα τοῦ πολεμίου καὶ τὸ τάχος δεδοικώς, μὴ προαναρπάσῃ τῆς παρασκευῆς αὐτὸν ἐπελθών, ἐσκόπει καταφυγὴν ἐπὶ τῷ παρόντι καὶ ἀναχώρησιν. ἐπαρχία μὲν οὖν οὐδεμία φύξιμος ἐφαίνετο βουλευομένοις αὐτοῖς, τῶν δὲ βασιλειῶν αὐτὸς μὲν ἀπέφαινε τὴν Πάρθων ἱκανωτάτην οὖσαν ἔν τε τῷ παρόντι δέξασθαι καὶ περιβαλεῖν σφᾶς ἀσθενεῖς ὄντας, αὖθίς τε ῥῶσαι καὶ προπέμψαι μετὰ πλείστης δυνάμεως ...

"Aber [Pompeius] mußte nun anhand der Lage urteilen und handeln, und so schickte er teils Boten nach verschiedenen Städten aus, teil fuhr er selbst hin und bat um Mittel und warb Besatzung an. Aber da er die Schnelligkeit und Beweglichkeit seines Gegeners fürchtete, prüfte er die Möglichkeiten eines vorübergehenden Fluchtziels, damit Caesar ihm nicht mitten in seinen Vorbereitungen zuvorkomme. Da sie berieten, schien ihnen aber keine Provinz ein geeignetes Refugium, und unter den Königreichen sprach Pompeius sich selbst für das der Parther aus, das, wie er meinte, am geeignetsten wäre, sie zu beherbergen und ihnen in ihrem desolaten Zustand Schutz zu bieten, sowie, sie zu stärken und später mit einer starken Streitmacht auszusenden ..."

Delikat ist natürlich, daß die Parther, seit der Gründung der Provinz Syrien 64/63 v. Chr. Nachbarn der Römer, denen wenige Jahre zuvor (unter einem Mann namens Crassus, der dritte im ersten Triumvirat, zwischen Caesar, Pompeius und ihm selbst) in der Schlacht bei Carrhae gewaltig eins auf die Mütze gegeben und ihnen -- die größte denkbare Schande -- die Legionsadler abgenommen haben. Das Verhältnis zwischen Rom und den Parthern, noch nie rosig, ist seitdem gewissermaßen angespannt. Weswegen denn bei Lucan Lentulus fleißig Salz in diese Wunde reibt. Neben militärischen und pragmatischen Gründen geht es Lentulus in seiner Rede besonders um Fragen der Würde, oder, um es modern auszudrücken, um das wünschenswerte Narrativ. Daß auf die Parther kein Verlaß ist, scheint da nur Vorwand. Das Motiv findet sich bei Lucan wie bei Plutarch (76, 5):

Θεοφάνει δὲ τῷ Λεσβίῳ μανικὸν ἐδόκει τριῶν ἡμερῶν πλοῦν ἀπέχουσαν Αἴγυπτον ἀπολιπόντα καὶ Πτολεμαῖον, ἡλικίαν μὲν ἀντίπαιδα, φιλίας δὲ καὶ χάριτος πατρῴας ὑπόχρεων, Πάρθοις ὑποβαλεῖν ἑαυτόν, ἀπιστοτάτῳ γένει ...

"Theophanos aus Lesbos hielt es für Wahnsinn, das nur drei Segeltage entfernte Ägypten und Ptolemaios, der noch ein Knabe und ihm, Pompeius, wegen des Gefallens, dem ihm sein, Pompeius' Vater erwiesen habe, verpflichtet sei, abzulehnen, andererseits aber sich den Parthern auszuliefern, einem äußerst unzuverlässigen Volk ..."

Trotz der Unterschiede ist es bemerkenswert, daß der grobe Ablauf der Dinge: Flucht, Beratung, Vorschlag des Pompeius, Ablehnung des Vorschlags und Entscheidung für Ägypten, in beiden Erzählungen gleich ist. Gerade die Idee, sich mit den Parthern einzulassen, muß angesichts des römisch-parthischen Verhältnisses so extravagant anmuten, daß darauf zwei Autoren nicht unabhängig voneinander (etwa, um die Verzweiflung Pompeius' darzustellen) gekommen sein werden. Nicht unter die erzählerische Freiheit gehört natürlich die Flucht nach Ägypten, denn daß Pompeius dort ermordert wurde, ist eine historische Tatsache, die keinen Spielraum läßt -- dort muß jedes Epos, jeder historische Roman, wenn er historisch sein will, hin.

Freiheit gibt es bei Reden, Dialogen, Gedanken, Handlungsmotivationen, Charakterzeichnungen. Und auf diesem Feld der Freiheiten sind Parallelen zwischen Autoren (noch dazu zwischen Autoren ganz verschiedener Genres und Absichten) überhaupt erst bemerkenswert. Zum Beispiel ist da die Sache mit Cornelia. Theophanes/Lentulus führt nämlich als eines der Argumente, die gegen eine Flucht ins Partherreich sprechen, die Gefahr für Leib, Leben und guten Ruf (wobei letzterer am schwersten zu wiegen scheint) der Gattin des Heerführers an (76,6):

καὶ γυναῖκα νέαν οἴκου τοῦ Σκηπίωνος εἰς βαρβάρους κομίζειν ὕβρει καὶ ἀκολασίᾳ τὴν ἐξουσίαν μετροῦντας, ᾗ, κἂν μὴ πάθῃ, δόξῃ δὲ παθεῖν, δεινόν ἐστιν ἐπὶ τοῖς ποιῆσαι δυναμένοις γενομένῃ. τοῦτο μόνον, ὥς φασιν, ἀπέτρεψε τῆς ἐπὶ τὸν Εὐφράτην ὁδοῦ Πομπήϊον

"[Theophanos hielt es für Wahnsinn], ... und darüber hinaus eine junge Frau aus dem Hause der Scipionen zu den Barbaren zu bringen, die ihre Macht nach dem Ausmaß ihrer Lüsternheit und Zügellosigkeit bemäßen, für die es, selbst wenn ihr nichts zustoßen sollte, schrecklich wäre, auch nur in ihrem Ruf Schaden zu nehmen, als eine, die unter Leute geraten ist, die ihr etwas anzutun auch nur in der Lage sind. Dieses Argument allein, heißt es, brachte Pompeius wieder ab vom Plan einer Reise zum Euphrat."

Die parallele Stelle bei Lucan liest sich so (VIII 395--416)

sed tua sors leuior, quoniam mors ultima poena est
nec metuenda uiris. at non Cornelia letum
infando sub rege timet. num barbara nobis
est ignota Venus, quae ritu caeca ferarum
polluit innumeris leges et foedera taedae
coniugibus thalamique patent secreta nefandi
inter mille nurus? epulis uaesana meroque
regia non ullis exceptos legibus audet
concubitus: tot femineis conplexibus unum
non lassat nox tota marem. iacuere sorores
in regum thalamis sacrataque pignora matres.
damnat apud gentes sceleris non sponte peracti
Oedipodionias infelix fabula Thebas:
Parthorum dominus quotiens sic sanguine mixto
nascitur Arsacides! cui fas inplere parentem,
quid rear esse nefas? proles tam clara Metelli
stabit barbarico coniunx millesima lecto.
quamquam non ulli plus regia, Magne, uacabit
saeuitia stimulata Venus titulisque uirorum;
nam, quo plura iuuent Parthum tormenta, fuisse
hanc sciet et Crassi: ceu pridem debita fatis
Assyriis trahitur cladis captiua uetustae.

"Aber dein Geschick ist leichter, denn für dich ist die höchste Strafe der Tod, und den fürchten Männer nicht. Auch Cornelia fürchtet nicht den Tod unter einem unsäglichen König. Doch ist denn die losen Sitten der Barbaren uns nicht bekannt, die blindwütig nach Art der Tiere die guten Sitten und den Ehebund mit Vielweiberei besudeln? Daß die Geheimnisse des unaussprechlichen Hochzeitsgemachs offen zu Tage liegen zwischen tausend Frauen? Vom Gelage und vom vom Wein in Raserei versetzt, erlaubt sich die Königshalle alle möglichen, von keinen Gesetzen gezügelten Paarungen: Einen einzigen Mann erschöpft die ganze Nacht nicht mit all den Umarmungen der Frauen. In den königlichen Gemächern haben schon die eigenen Schwestern und, geheiligtes Unterpfand, die eigene Mutter gelegen. Die Geschichte eines unbeabsichtigen Vergehens verurteilt unter den Völkern das Theben des Ödipus: wie oft aber entstammt ein Arsacide als Herrscher über die Parther einer solchen Vermischung. Was, frage ich mich, ist tabu für einen, dem es erlaubt ist, die eigene Mutter zu schwängern? Der berühmte Sproß des Metellus wird die tausendste Frau im Bett des Barbaren sein. Und dabei wird die Lüsternheit des Königs, gereizt durch die Grausamkeit und das Ansehen ihrer frühreren Männer, für keine andere so bereit sein wie für Cornelia; denn damit der Parther seine Grausamkeit besser genießen kann, wird man ihn wissen lassen, daß sie einst Crassus' Frau gewesen ist: wie vom Schicksal den Syrern noch schuldig geblieben, wird man sie als Gefangene einer alten Niederlage betrachten."

Eine weitere Parallele ist Pompeius' Traum vor der Schlacht. Dazu heißt es bei Plutarch (68,2):

τῆς δὲ νυκτὸς ἔδοξε κατὰ τοὺς ὕπνους Πομπήϊος εἰς τὸ θέατρον εἰσιόντος αὐτοῦ κροτεῖν τὸν δῆμον, αὐτὸς δὲ κοσμεῖν ἱερὸν Ἀφροδίτης νικηφόρου πολλοῖς λαφύροις.

"In der Nacht hatte Pompeius einen Traum, in dem ihm, als er das Theater betrat, das Volk applaudierte, und er selbst den Tempel der Venus Victrix mit vielen Beutestücken schmückte."

Daß der Traum von den applaudierenden Theaterbesuchern bei Plutarch wie bei Lucan erwähnt wird, kann schwerlich Zufall sein. Es kommt aber noch besser. καὶ πανικοί τινες θόρυβοι διᾴττοντες ἐξανέστησαν αὐτόν, "und vorbeiziehender tumultuöser Lärm weckte ihn", geht die Passage bei Plutarch weiter. Wenn es bei Lucan nun heißt,

... ne rumpite somnos,
castrorum uigiles, nullas tuba uerberet aures.
crastina dira quies et imagine maesta diurna
undique funestas acies feret, undique bellum.
unde pares somnos populi noctemque beatam?

"zerreißt ihm den Schlaf nicht, Lagerwachen, die Posaune soll keine Ohren drangsalieren. Die fürchterliche, von den Bildern des Tages verzweifelte Stille wird ihn überall tödliche Schlachtreihen sehen lassen, überall Krieg."

dann klingt das wie ein Kommentar zu Plutarch (was chronologisch nicht möglich ist, nur literarisch): Eben der Lärm, von dem Plutarch schreibt, daß er den Feldherrn aus dem Schlaf reißt, soll bitte schweigen, damit Pompeius eine letzte ruhige Nacht verbringen kann. Umgekehrt und chronologisch möglich ist die umgekehrte Folge, daß Plutarch in seinem Text dem Pompeius ziemlich kurzangebunden das Ausschlafen verweigert, das ihm Lucan noch gewünscht hat.

Ein paar Tage später, die Schlacht ist vorbei, erscheint Pompeius bei seiner Gattin auf Lesbos. Sorgen quälen Cornelia, nachts träumt sie von Thessalien, tags läuft sie zum Strand, hält Ausschau nach Schiffen, wagt nicht, nach Nachrichten über Pompeius zu fragen. Bei Lucan ist sie es selbst, die dann eines Tages ihren Mann, verdreckt und abgerissen, aus einem schmalen Kahn steigen sieht. In einer sarkastischen Apostrophe heißt es dann: quid perdis tempora luctus? / cum possis iam flere, times "Was verschwendest du noch Zeit zum Trauern? Während du schon weinen könntest, bist du noch mit Bangen beschäftigt." Bei Plutarch ist es ein Bote, der nicht zu sagen wagt, was passiert ist, den aber seine Tränen verraten. Cornelia schwinden die Sinne, und "als sie wieder zu sich kam", schreibt Plutarch:

συννοήσασα τὸν καιρὸν οὐκ ὄντα θρήνων καὶ δακρύων, ἐξέδραμε διὰ τῆς πόλεως ἐπὶ θάλατταν.

"begriff sie, daß jetzt nicht die Zeit war für Klagen und Tränen und lief durch die Stadt zum Meer."

Das Motiv der Zeitverschwendung ist dasselbe, nur mit unterschiedlicher Ausdeutung. Bei Lucan soll Cornelia keine Zeit mit Bangen verschwenden, sondern gleich mit dem Trauern anfangen; bei Plutarch wäre das Trauern in diesem Moment Zeitverschendung, oder die Zeit dafür ist noch nicht da. Fast klingt es, als hätte Plutarch, der Latein erst im Erwachsenenalter lernte, bei seinen Recherchen das Lucansche Latein nicht verstanden (wofür wir vollstes Verständnis haben).

Zu den Konventionen antiker Geschichtsschreibung gehört, daß Reden frei erfunden sind. Damit wird dem Autor ein erzählerisch-dramatisches Element ermöglicht, das er im Rahmen des feststehenden Anlasses sowie der Folgen der Rede frei ausgestalten kann. Sowohl bei Plutarch als auch bei Lucan wird das Wiedersehen zwischen Pompeius und Cornelia in einem Zwiegespräch gestaltet. Hier findet sich eine weitere Parallele, wenn nämlich Cornelia sich die Schuld am Desaster gibt, weil sie ihrem Mann kein Glück gebracht habe: ihr Fluch sei es, ihren Ehemännern Unglück zu bringen, erst Crassus, jetzt Pompeius. Bei Lucan klingt das so (VIII 88--105):

'o utinam in thalamos inuisi Caesaris issem
infelix coniunx et nulli laeta marito.
bis nocui mundo: me pronuba ducit Erinys
Crassorumque umbrae, deuotaque manibus illis
Assyrios in castra tuli ciuilia casus,
praecipitesque dedi populos cunctosque fugaui
a causa meliore deos. o maxime coniunx,
o thalamis indigne meis, hoc iuris habebat
in tantum fortuna caput? cur inpia nupsi,
si miserum factura fui? nunc accipe poenas,
sed quas sponte luam: quo sit tibi mollius aequor,
certa fides regum totusque paratior orbis,
sparge mari comitem. mallem felicibus armis
dependisse caput: nunc clades denique lustra,
Magne, tuas. ubicumque iaces ciuilibus armis
nostros ulta toros, ades huc atque exige poenas,
Iulia crudelis, placataque paelice caesa
Magno parce tuo.'

'Ach hätte ich doch als unglückbringende Gattin und froh an keinem Mann lieber das Hochzeitsgemach des verhaßten Caesar betreten! Zweimal habe ich der Welt geschadet: mich haben die Erinye und die Schatten der Crassi als Trauzeugen in die Ehe geführt, und infiziert von ihren Manen habe ich die Niederlage in Syrien in die Feldlager des Bürgerkrieges eingeschleppt, alle Völker kopfüber ins Unglück gestürzt und die Götter von der besseren Sache vertrieben. Oh bester Gatte, oh du meiner Gemächer nicht Würdiger, durfte das Schicksal dieses Anrecht auf ein so großes Haupt haben? Warum habe ich Ruchlose geheiratet, wo ich dich doch ins Elend stürzen würde? Nun laß mich die Strafe zahlen, die ich dir freiwillig ableiste: auf daß dir das Meer freundlicher, die Treue der Könige sicher, der ganze Erdkreis bereiter sei, dir zu dienen -- wirf deine Gefährtin ins Meer. Ich wollte, ich könnte mit glückbringenden Waffen dein Haupt einlösen: nun entsühne wenigstens, Magnus, deine Niederlage. Und du, wo auch immer dein Grab sein mag, grausame Iulia: sei hier anwesend, fordere, nachdem du dich mit dem Bürgerkrieg für unsere Ehe gerächt hast, die Strafe; aber schone nach dem Tod deiner Nebenbuhlerin wenigstens deinen geliebten Magnus.'

Und zum Vergleich Plutarch (74,3):

ἀπαντήσαντος δὲ τοῦ Πομπηΐου καὶ δεξαμένου ταῖς ἀγκάλαις αὐτὴν ὑπερειπομένην καὶ περιπίπτουσαν, "Ὁρῶ σε," εἶπεν, "ἄνερ, οὐ τῆς σῆς τύχης ἔργον, ἀλλὰ τῆς ἐμῆς, προσερριμμένον ἑνὶ σκάφει τὸν πρὸ τῶν Κορνηλίας γάμων πεντακοσίαις ναυσὶ ταύτην περιπλεύσαντα τὴν θάλασσαν. τί μ’ ἦλθες ἰδεῖν καὶ οὐκ ἀπέλιπες τῷ βαρεῖ δαίμονι τὴν καὶ σὲ δυστυχίας ἀναπλήσασαν τοσαύτης; ὡς εὐτυχὴς μὲν ἂν ἤμην γυνὴ πρὸ τοῦ Πόπλιον ἐν Πάρθοις ἀκοῦσαι τὸν παρθένιον ἄνδρα κείμενον ἀποθανοῦσα, σώφρων δὲ καὶ μετ’ ἐκεῖνον, ὥσπερ ὥρμησα, τὸν ἐμαυτῆς προεμένη βίον· ἐσωζόμην δ’ ἄρα καὶ Πομπηΐῳ Μάγνῳ συμφορὰ γενέσθαι."

"Pompeius trat ihr entgegen, fing die Taumelnde auf und nahm sie in seine Arme. "Ich sehe dich", sagte sie, "Mann, nicht als das Werk deines Geschicks, sondern des meinen, zurückgeworfen auf ein einziges Schiff, der du vor deiner Hochzeit mit Cornelia dasselbe Meer mit fünfhundert befahren hast. Warum kamst du mich zu sehen und hast mich nicht dem bösen Geist überlassen, mich, die ich auch dich mit so großem Unglück überhäuft habe? Was für eine glückliche Frau wäre ich gewesen, wenn ich gestorben wäre, bevor ich hätte hören müssen, daß Publius, dessen jungfräuliche Braut ich war, bei den Parthern geblieben war, und wie vernünftig, wenn ich nach ihm, wie ich es versucht habe, mein Leben selbst beendet hätte; wie es scheint, wurde ich gerettet, nur um auch Pompeius Magnus Verderben zu bringen."

Und damit lassen wir es mal gut sein mit dem Exkurs. Es gibt noch mehr Parallelen, etwa Caesars seltsames Seeabenteuer; die Art des Begräbnisses, das Pompeius am Ort seiner Ermordung durch einen Diener zuteil wird (davon später mehr); und wahrscheinlich habe ich noch ein paar weitere Parallelen übersehen. Plutarch und Lucan haben sich, so viel ist deutlich geworden, von denselben Quellen für ihre jeweiligen Ausgestaltungen des Dramas um die Schlacht von Pharsalos inspirieren lassen.





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VII 597--697

hic patriae perit omne decus (VII 597): Die Schlacht bei Pharsalos darf als Ende einer Epoche betrachtet werden, deren Untergang darin liegt, daß ihr der sie prägende Stand abhanden gekommen ist. Rom würde sich so oder so für immer gewandelt haben, weil keiner mehr da ist, der die Republik, so wie sie einmal war, hätte leben können. Rom ist eine Idee, die von Menschen lebt, die diese Idee verkörpern können. Dazu bedarf es eines ganzen Standes. Die Republik ist schon deshalb am Ende, weil die sie tragende Senatsaristokratie so stark geschrumpft ist, daß sich damit wortwörtlich kein Staat mehr machen läßt. Weswegen auch ein Jahrzehnt später die Versuche der Caesarmörder, die Republik wiederherzustellen, scheitern mußten, schon deswegen, aus Personalmangel. (Vgl. Jochen Bleicken (2010). Augustus. Eine Biographie)

Ein Einzelschicksal steht für diesen Untergang, der in 15 Versen (599--616) erzählte Tod und letztes Wort des Domitius (Lucius Domitius Ahenobarbus, Konsul 54, erst zerstritten, dann versöhnt mit Pompeius, nach der Schlacht von Corfinium von Caesar begnadigt, schloß sich dann aber, nachdem er einen erfolglosen Aufstand in Massilia angezettelt hatte, Pompeius in Griechenland an. Nach der Schlacht bei Pharsalos wurde er auf der Flucht erschlagen). Die Szene gibt dem Erzähler Gelegenheit, einmal den schurkischen Charakter Caesars darzustellen, zum anderen, den unterlegenen Gegner einen kräftigen Fluch aussprechen zu lassen: "Du hast den bösen Handel noch nicht abgeschlossen, Caesar, unterliegst einem zweifelhaften Schicksal, bist ein Geringerer als dein Schwiegersohn. Ich aber gehe frei und sicher und mit Magnus als meinem Feldherrn hinüber zu den stygischen Schatten. Hoffen darf ich, indem ich sterbe, daß du, unterlegen in einem brutalen Krieg, Pompeius und uns allen bittere Strafe leisten wirst." Zuvor hat Caesar noch seinen Spott mit dem Sterbenden getrieben:

uiderat in crasso uersantem sanguine membra
Caesar, et increpitans 'iam Magni deseris arma,
successor Domiti; sine te iam bella geruntur'
dixerat. ...

"Caesar sah den sich in seinem dicken Blut wälzenden [Domitius] und verspottet ihn: "Jetzt läßt du, Domitius, Magnus schon im Stich. Jetzt müssen die Kämpfe wohl ohne dich stattfinden."

Eine besondere Spitze liegt darin, daß Domitius 49 vom Senat zum Nachfolger (successor) Caesars als Statthalter in Gallien ernannt worden war. Nun gebraucht Caesar das Wort successor, um Domitius zu verhöhnen: "Nachfolger, ha! Schau dich nur mal an, ein feiner "Nachfolger" wärst du mir geworden."

Daß es für Lucan nicht um die Antipoden Caesar und Pompeius geht, sondern um die Freiheit und ihren Feind, wird in dieser Passage (VII 691--697) deutlich:

... ceu flebilis Africa damnis
et ceu Munda nocens Pharioque a gurgite clades,
sic et Thessalicae post te pars maxima pugnae
non iam Pompei nomen populare per orbem
nec studium belli, sed par quod semper habemus,
libertas et Caesar, erit; teque inde fugato
ostendit moriens sibi se pugnasse senatus.

"Wie im katastrophengebeutelten Afrika, wie im verlustreichen Munda, wie bei den Niederlagen am Nil, wird es auch in Thessalien nach dir, [Pompeius], nicht um deinen weltberühmten und verehrten Namen, auch nicht um die Lust am Kampf, sondern allein um die zwei Gegner gehen, die wir schon lange kennen: die Freiheit hier, Caesar dort."





"Wozu hältst du hier das Schwert in der Hand, unter dem gewöhnlichen Soldatenhelm das Gesicht verborgen, unkenntlich dem Feind?" (VII 586--596)

Wie ist diese Stelle gemeint? Zunächst liegt es nahe, sie als Vorwurf an die Untätigkeit des Brutus zu lesen, der sich lieber unter dem Soldatenhelm versteckt, als den Versuch zu wagen, Caesar in der Schlacht (und nicht etwa heimtückisch im Senat, wie es später dann tatsächlich passiert) zu töten. Dann wäre die Aufforderung an Brutus, sich nicht allzu leichtfertig ins Getümmel zu stürzen, ironisch gemeint: "Sieh zu, daß du dich nicht überanstrengst, Brutus!" Andererseits paßt das nicht zur Aussage, Brutus werde hier nichts erreichen, wenn er Caesar an die Gurgel gehe, und er solle seinen eigenen Untergang (fatales Philippos) nicht überstürzen. Die Apostrophe ("was machst du hier, Brutus?"), die den Lauf der Ereignisse indirekt vorwegnimmt (nil proficis istic "du wirst hier nichts erreichen"), schafft eine paradoxe Erzählsituation, in der einerseits infolge der Präsenz der Situation, in der eine handelnde Person angesprochen wird, noch möglich scheint, was, wie wir ja wissen, unmöglich ist; andererseits aber durch den Inhalt der Anrede der aus Sicht der Leser bereits geschehene Lauf der Dinge als Vorhersage dem Angeredeten mitgeteilt wird. Als Eindruck bleibt zurück, daß alles auch ganz anders hätte kommen können. Oder doch nicht? So deutet die Passage vielleicht die Grundfrage an nach dem Schicksal (eins der häufigsten Wörter bei Lucan ist fatum) und seiner Abwendbar- oder Unentrinnbarkeit. Aus der Sicht Brutus' ist noch alles offen; aus der Sicht des Erzählers (und aus unserer, der Leser, Sicht) ist die Zukunft (Brutus' Zukunft zum Zeitpunkt der Schlacht) bereits geschlossen. Die Apostrophe stellt sich genau an den Punkt, wo die Angel sich dreht, ehe die Tür ins Schloß fällt.





Die Schlacht (2)

Nach diesen geschichtsphilosophischen Überlegungen geht es dann endlich los. Die Schlacht beginnt mit einem Geschoßhagel, der den Himmel verdüstert: ... ferro subtexitur aether / noxque super campos telis conserta pependit "Vom Stahl wird der Himmel überzogen und dichte Nacht hing über dem Schlachtfeld" Dann läßt Pompeius seine Soldaten in enger Formation Schild an Schild (nexis umbonibus)vorrücken, was sich als nachteilig erweist, da sie zusammengepfercht in der Reihe keinen Bewegungsspielraum haben und "ihre eigenen Schwerter fürchten" (acies ...gladiosque suos conpressa timebat). Caesar greift in Keilformation an und bricht eine Bresche in die gegnerischen Reihen. "Die eine Seite handelt, die andere erleidet", bemerkt die Erzählstimme lapidar. Aktiv--passiv, offensiv-defensiv, die Rollen sind von Anfang an so verteilt, daß Caesar die Initiativen zufallen und Pompeius, dem großen Zögerer, der ja nur auf Drängen seiner Generäle sich der Schlacht gestellt hat, die Reaktion. Pompeius zieht seine Reiterei über die Reihen der Infanterie hinaus auseinander und schickt leichtbefaffnete Hilfstruppen in ungeordneter Aufstellung zu einer Attacke mit Pfeilen, Wurffackeln und Bleigeschossen gegen Caesars vorderste Reihe. Der fürchtet, daß der heftige Ansturm seine Reihen ins Schwanken bringen könnte, hält Kohorten "schräg hinter den Feldzeichen" (tenet obliquas post signa cohortes) zurück und schickt sie dem Feind in die berittene Flanke, wo eine Mêlée entstanden ist. Die Flügel läßt er (non motis cornibus) in ihrer ursprünglichen Position verharren. Dieses Manöver verwirrt die Pompeianische Reiterei; sobald das erste Pferd stürzt und seinen Reiter zu Tode trampelt, entsteht Panik, die Reiter wenden, fliehen und stürzen in ihre eigenen Reihen. perdidit inde modum caedes -- Daraufhin hat das Schlachten kein Maß mehr. Bislang haben Römer gegen ausländische Hilfstruppen gekämpft, nun aber, im Zentrum von Pompeius' Heer, stehen sich Geschwister, stehen sich Söhne und Väter als Feinde gegenüber, und hier "enthüllt sich die ganze Unmenschlichkeit Caesars", ist er es doch selbst, der seine Soldaten zum Morden anstachelt. Was genau dort geschieht, sähe der Dichter lieber in Dunkel gehüllt:
non illic regum auxiliis collecta iuuentus
bella gerit ferrumque manus mouere rogatae:
ille locus fratres habuit, locus ille parentis.
hic furor, hic rabies, hic sunt tua crimina, Caesar.
hanc fuge, mens, partem belli tenebrisque relinque,
nullaque tantorum discat me uate malorum,
quam multum bellis liceat ciuilibus, aetas.
a potius pereant lacrimae pereantque querellae:
quidquid in hac acie gessisti, Roma, tacebo.

"Hier führen nicht mehr die geliehende Mannschaften fremder Könige den Krieg mit Hilfstruppen, nicht mehr Hände, die man gedungen hatte, das Schwert zu nehmen: Auf diesem Kampfplatz standen sich Brüder, standen sich Eltern und Kinder gegenüber. Dieses Rasen, dieser Wahnsinn, das ist dein Verbrechen, Caesar. Verstand, mach einen Bogen um diesen Teil des Krieges und belaß ihn im Dunkel, kein späteres Zeitalter soll durch mich als Dichter solch großen Übels erfahren, was in Bruderkriegen alles geschehen kann. Ach, sollen doch die Tränen, sollen die Klagen vergeblich sein: Ich werde nicht erzählen, was du, Rom, in dieser Schlacht angerichtet hast."





Die Schlacht (1)

ergo utrimque pari procurrunt agmina motu "mit gleicher Geschwindigkeit rücken die Heere gegeneinander vor" heißt es noch, bevor Lucan die Erzählung für einen über siebzig Verse langen Exkurs unterbricht, in dem er über die Verluste und langfristigen Folgen des Bürgerkriegs räsonniert: Ausdünnung der Bevölkerung, Vernichtung ganzer Ethnien, demographischer und sozialer Wandel, Schwäschung der Kampfkraft Roms, Änderungen der politischen Landkarte der Welt. So viele Männer seien an einem einzigen Tag vernichtet worden, wie mehrere Brabreneinfälle, Hungersnöte, Seuchen zusammengenommen. Pharsalia, das ist die Katastrophe schlechthin, das unvergleichbare Unglück. quam magna cadas -- noch aus aus dem Krachen, mit dem Rom stürzt, ersieht man, wie groß war, was an diesem Tag zugrundegeht.

Verloren ist nicht nur, was war, sondern auch, was hätte sein können, wenn die an jenem Tag zur gegenseitigen Vernichtung aufgebotenen Kräfte andernorts für ein gemeinsames Projekt wären aufwendet worden: die römische Eroberung Indiens, Eingliederung Sarmatiens ins römische Provinzsystem, die Parther tributpflichtig -- alles nicht passiert; stattdessen ist die so heftig und so oft umkämpfte verfassungsrechtliche Freiheit der Römer "zu den Germanen über den Rhein geflohen, um nie wieder zurückzukehren". Die Taten eines Brutus, die Vertreibung der Tarquinier -- alles umsonst, da wär's besser gewesen, Rom hätte seine Freiheit nie kennengelernt. Denn, sagt Lucan, am schlimmsten leiden unter der Tyrannei die, denen es schwerfällt, Untertanen zu sein, wie es den Römern eben schon immer schwergefallen ist.

Wer könnte angesichts solcher Schicksalsironie noch an Götter glauben? Ist es plausibel anzunehmen, daß Jupiter Blitze gegen die Berge Thessaliens schleudert, während ein Mann wie Cassius Caesar beseitigen muß?





Weiter im Lucan: die Schlacht bei Pharsalos (0)

Jetzt sind wir schon bei der Schlacht von Pharsalos angekommen und befinden uns doch erst in Buch VII. Diese Schlacht gilt heutigen Historikern als der Wendepunkt im Bürgerkrieg, und auch Lucan bzw. seine Zeitgenossen müssen das so gesehen haben -- nicht umsonst kreist die ganze Erzählung ja um nichts anderes, scheint dramaturgisch darauf als auf einen Höhepunkt zuzulaufen. Der dann weder ein echter Höhepunkt noch ein Endpunkt ist, folgen doch noch ganze drei Bücher, rund 2400 Verse. Der ständige Vorgriff auf die Katastrophe sowie die genußvolle Blutrünstigkeit, mit der etwa das Seegefecht bei Massilia geschildert wird, wecken Erwartungen, die nicht erfüllt werden. Nicht einmal beschrieben wird die Schlacht bei Pharsalo ordentlich, als hätte Lukan sein Pulver schon bei Massilia verschossen. Ausgerechnet bei der titelgebenden Entscheidungsschlacht übt der Dichter eine ungewohnte Zurückhaltung. Aber vielleicht ist ja gerade hier Zurückhaltung besser, dramaturgisch effektiver? Denn bis zu diesem Punkt hat der Leser schon so viel von abgehackten Gliedmaßen, durchbohrten Eingeweiden, aufgeschlitzten, zertrümmerten, in Stücke gerissenen Körpern lesen müssen, daß eine weitere, der bedonderen Stellung der Schlacht bei Pharsalos entsprechende Steigerung gar nicht möglich wäre. Unter Anhäufung von mehr des Gleichen müßte der Effekt verpuffen. Über das Ohrenbetäubende hinaus hört man nichts mehr. Zum andern entsteht eine besondere Wirkung gerade dadurch, daß das Grauen aus vorhergegangenen Schilderungen beim Leser ja noch lebendig ist; hier kann es nachwirken. Statt also derartige Schilderungen noch einmal zu wiederholen, wird ein größerer Effekt dadurch erzielt, daß der Dichter sich darauf beschränkt, an die früheren Schilderungen zu erinnern, und so dafür sorgt, daß wir als Leser die Schreckensbilder bei uns selbst noch einmal aufrufen müssen. So begnügt sich Lucan mit Andeutungen:

inpendisse pudet lacrimas in funere mundi
mortibus innumeris, ac singula fata sequentem
quaerere letiferum per cuius uiscera uolnus
exierit, quis fusa solo uitalia calcet,
ore quis aduerso demissum faucibus ensem
expulerit moriens anima, quis corruat ictus,
quis steterit dum membra cadunt, qui pectore tela
transmittant aut quos campis adfixerit hasta,
quis cruor emissis perruperit aera uenis
inque hostis cadat arma sui, quis pectora fratris
caedat et, ut notum possit spoliare cadauer,
abscisum longe mittat caput, ora parentis
quis laceret nimiaque probet spectantibus ira
quem iugulat non esse patrem. mors nulla querella
digna sua est, nullosque hominum lugere uacamus.

"Wenn eine ganze Welt untergeht, schämt man sich, Tränen für die ungezählten Toten zu vergießen, dem Schicksal einzelner nachzugehen und zu fragen, durch wessen Leib die tödliche Wunde ging, wer auf die eigenen auf den Boden geglittenen Eingeweide trat, wer im Angesicht des Gegners mit seinem letzten Atemhauch das Schwert aus der eigenen Kehle heraustrieb, wer erschlagen zusammenbrach, wer stehenblieb, während seine Glieder zu Boden fielen, wen das Wurfgeschoß durchbohrte, wen der Speer an den Grund nagelte, wessen Blut aus zerfetzten Adern durch die Luft schoß und auf der Rüstung des Gegners landete, wer auf die Brust seines Bruders einhieb, und, damit er den Leichnam plündern könne, den abgetrennten Kopf weit fort schleuderte, wer das Gesicht seines Vaters zur Unkenntlichkeit verwüstete, um mit dem übertriebenen Zorn den Umstehenden zu beweisen, dies sei nicht sein Vater, den er erschlagen. Kein Tod ist hier seiner Klage würdig, und keinen zu betrauern habe ich Zeit."

(Interessant, daß die Erzählstimme selbst zu begründen zu sollen glaubt, warum sie keine einzelnen Kämpfe schildert. Interessant auch, daß der Abschnitt die Form einer Einleitung hat, die einer detaillierteren Schilderung einzelner Kampf- und Sterbeszenen voraufgehen könnte. Seit den Tagen Homers war es üblich, vor einer solchen Schilderung nochmal tief Luft zu holen und die Muse anzurufen. So könnte denn auch die Folge indirekter Fragesätze dieses Abschnitts eingeleitet werden mit "Muse, sag mir, ..." -- Nur daß Lucan es bei den Andeutungen beläßt. Natürlich sind diese Dinge passiert; jemand hat das Gesicht seines Vaters unkenntlich gemacht, jemand trampelte auf seinen eigenen Eingeweiden herum. aber es wird nicht erzählt, es wird in der indirekten Frage vorausgesetzt.)





Weiter im Lucan: Caesars Rede

in manibus uestris, quantus sit Caesar, habetis.

"Ihr habt es in der Hand, wie groß Caesar sein wird."

Dieser Satz aus der Rede Caesars vor seinen Soldaten ist das Gegenstück zu dem des Pompeius: "Laßt nicht zu, daß ich auf meine alten Tage das Dienen lernen muß." Wer so auftritt, hat eine bestimmte Überzeugung von sich selbst ebenso wie von seinen Soldaten. Alles, was Pompeius zu bieten hat, ist die Bewahrung des Alten und Althergebrachten, der gesetzlichen Ordnung in Gestalt der tradierten römischen Republik. Pompeius' Ziel, das Ziel, das er auch seinen Leuten verkaufen muß, ist die Abwendung von Schaden und die Vermeidung von Veränderung. Dieses negative Ziel ist positiv allenfalls durch den Begriff der "Rettung" formulierbar. Es zu erreichen, bedeutet keinen Fortschritt sondern die Wiederherstellung eines durch Gewalt in Gefahr geratenen und auch bereits beschädigten Zustands, seine Reparatur. Die Motivation ist also rückwärtsgerichtet. Pompeius kann nur das alte eiernde, klapprige Fahrrad versprechen, repariert zwar, doch so klapprig und eiernd wie eh und je. Und Caesar? Der Zerstörer der Republik verspricht ein ganz neues Fahrrad. "Wie groß wollt ihr mich haben?" fragt er seine Soldaten. Wie schnell soll das neue Fahrrad sein, auf dem wir alle fahren werden? Von dieser Größe hängt ab, was sie selbst sein werden.

haec, fato quae teste probet, quis iustius arma
sumpserit; haec acies uictum factura nocentem est.
(VII 259f)

Pompeius sagt: Unsere Sache ist die gerechte. Caesar erwidert: der Sieg wird beweisen, wer die gerechte Sache vertritt. ("Möge der Gerechte gewinnen.") Das Verbrechen wird am Besiegten kleben bleiben. Im Krieg bleibt keine Hand sauber, sagt Caesar, also tilgt die Schuld mit dem Eisen, indem ihr siegt. Auch der Verweis auf die eigene militärische Stärke fehlt in Caesars Rede nicht. Was Pompeius als Aufgebot der ganzen Welt bezeichnet, wird bei Caesar zu einem Haufen Schuljungen, die kaum Waffen tragen können, zu zusammengewürfelten Horden von Barbaren, die der eigene Kampflärm erschreckt. Barbaren, zumal, denen es egal ist, wer in Rom regiert, gedungene Völker, die keine starke Motivation zum Kämpfen haben. Und dann führt Caesar etwas an, das Pompeius abgeht: Seine Nähe zu den Soldaten. Glaubt ihr, ich weiß nicht, wer von euch welches Schwert führt? Glaubt ihr, ich kann nicht am Lanzenwurf erkennen, wer von euch der Schütze war? -- Eine solche Bindung des Heerführers an seine Soldaten, der Soldaten an den Heerführer, hat Pompeius nicht zu bieten.





Rede des Pompeius vor dem Heer

Die Rede des Pompeius vor seinen Soldaten ist eine seltsame Mischung aus wishful thinking und weinerlichen Appellen: "Meine lieben Freunde, laßt nicht zu, daß der arme Magnus auf seine alten Tage noch das Dienen lernen muß", doch die maesta vox tut ihre Wirkung, und es hebt sich der Mut der Soldaten, erigitur virtus Romana.

causa iubet melior superos sperare secundos

"Die bessere Sache befiehlt uns zu hoffen, daß die Götter uns gewogen sind."

Das ist der Grund, an den Sieg zu glauben -- daß man die bessere Sache vertritt. (Die Götter können doch nicht zulassen, daß ...) Doch, können sie. Wohl ist Pompeius (und mit ihm die Erzählstimme) überzeugt, daß seine die gerechte Sache ist, doch an den Sieg, weiß der Leser längst, glaubt er selbst nicht mehr. Aber das kann er seinen Soldaten schlecht sagen, außerdem haben die ihn ja selbst zur Schlacht gedrängt. Also sagt er, was er sagen zu dürfen glaubt:

ipsi tela regent per uiscera Caesaris, ipsi

"Sie (die Götter) werden eigenhändig die Geschosse durch Caesars Eingeweide lenken."

Die Götter wollen das Römische Gesetz mit dem Blut Caesars heiligen; wenn sie planen würden, Caesar die Herrschaft zu schenken, hätten sie Pompeius schon längst aus dem Weg geräumt; es wäre untypisch für erzürnte Götter, Pompeius den Völkern und der Stadt Rom so lange zu erhalten, um ihn jetzt zu vernichten. Das sind die metaphysischen Gründe für Siegesgewißheit. Bodenständiger ist da Pompeius' Verweis darauf, man habe schließlich alles, was zum Sieg erforderlich sei, zusammengekratzt. Pompeius vergleicht die Situation mit früheren Auseinandersetzungen: "Die Curier, Camillus, die Decier, hier stünden sie an unserer Seite, wenn das Schicksal sie unserer Zeit zurückbrächte." Er zählt auf: unzählige Städte, so viele wie in keinem anderen Krieg, so viele Männer wie unterm Himmel von Nord nach Süd sind, stehen bereit; die ganze Welt haben sie aufgeboten: Caesar kommt dagegen nicht an. Dann eine Beschwörung: Stellt euch vor, eure Mütter würden von den Zinnen Roms aus zuschauen; stellt euch vor, die greisen Senatoren würden sich euch zu Füßen werfen, ganz Rom würde erscheinen, eine ganze Stadt, die den Tyrannen fürchtet. Was wird Pompeius sein, wenn sie nicht siegen? Ein Exilant, der Spott seines Schwiegervaters, eine Schande für sie, die ihm in diesem Moment zuhören, die Soldaten, "das wollt ihr doch nicht, oder?" Unsere Sache ist die gerechte, wir sind zahlenmäßig überlegen, ihr wollt eurem Pompeius doch keine Schande machen -- überzeugend ist das nicht gerade; doch die Soldaten, behauptet der Erzähler, lassen sich davon tatsächlich den Mut aufrichten.

Vocabularium

529 in caput "kopfüber"
547 fortuna haesit "blieb stecken", "wurde aufgehalten"
555 pereant lacrimae "sollen vergeblich sein"

Neues vom Konjunktiv

352f:

si socero dare regna meo mundumque pararent,
praecipitare meam fatis potuere senectam:

"Wenn die Götter vorhätten, meinem Schwiegervater (=Caesar) Welt und Herrschaft zu geben, dann hätten sie mein Alter durch den Tod verkürzen können." (d.h. Sie hätte mich nicht am Leben gelassen, nur um mich jetzt untergehen zu lassen.)

Konjunktiv im si-Satz, Indikativ Perfekt des Modalverbs im Hauptsatz.





Die Spannung erhöhen, indem man die Katastrophe ankündigt, dann aber die Bremse zieht und erstmal gelehrte Auslassungen über Thessalien ausbreitet -- das ist die eine Funktion des Thessalienexkurses (der im übrigen noch nicht beendet ist). Eine andere könnte man darin sehen, daß die zu erzählende Geschichte, die Schlacht bei Pharsalos nämlich und der Untergang der Republik, Platz nehmen dürfen in der illustren Reihe mythologischer Geschehnisse von Herkules bis zu den Lapithen. Damit erhält die jüngste Historie den Rang eines mythisch-welthistorischen Ereignisses -- mit einem Unterschied: Bislang haben die Götter darüber gewacht, daß der Frevler bestraft, der Überhebliche in seine Schranken gewiesen, der Gottlose zur schmerzlichen Einsicht in die Gewalt der Götter gebracht wird. Keiner ist davongekommen, von Agaue über Thamyris bis zu den Kindern des Aloeus. Alle, bis auf Caesar (bzw. seine Nachfahren). Die bislang bestehende Ordnung, die im Mythos obwaltende ausgleichende Kraft, die für Gerechtigkeit sorgt und jeden Ausgriff über das Billige hinaus hart bestraft, diese Ordnung ist nicht mehr. Caesar wird wie Aloeus nach dem Olymp greifen -- und damit durchkommen, jedenfalls für kurze Zeit. Aber auch sein eigener Tod kann nichts daran ändern, daß eine neue Zeit angebrochen ist, eine Zeit, in der Tyrannen tun, was machbar ist, weil es machbar ist.