Weiter im Lucan

VII 597--697

hic patriae perit omne decus (VII 597): Die Schlacht bei Pharsalos darf als Ende einer Epoche betrachtet werden, deren Untergang darin liegt, daß ihr der sie prägende Stand abhanden gekommen ist. Rom würde sich so oder so für immer gewandelt haben, weil keiner mehr da ist, der die Republik, so wie sie einmal war, hätte leben können. Rom ist eine Idee, die von Menschen lebt, die diese Idee verkörpern können. Dazu bedarf es eines ganzen Standes. Die Republik ist schon deshalb am Ende, weil die sie tragende Senatsaristokratie so stark geschrumpft ist, daß sich damit wortwörtlich kein Staat mehr machen läßt. Weswegen auch ein Jahrzehnt später die Versuche der Caesarmörder, die Republik wiederherzustellen, scheitern mußten, schon deswegen, aus Personalmangel. (Vgl. Jochen Bleicken (2010). Augustus. Eine Biographie)

Ein Einzelschicksal steht für diesen Untergang, der in 15 Versen (599--616) erzählte Tod und letztes Wort des Domitius (Lucius Domitius Ahenobarbus, Konsul 54, erst zerstritten, dann versöhnt mit Pompeius, nach der Schlacht von Corfinium von Caesar begnadigt, schloß sich dann aber, nachdem er einen erfolglosen Aufstand in Massilia angezettelt hatte, Pompeius in Griechenland an. Nach der Schlacht bei Pharsalos wurde er auf der Flucht erschlagen). Die Szene gibt dem Erzähler Gelegenheit, einmal den schurkischen Charakter Caesars darzustellen, zum anderen, den unterlegenen Gegner einen kräftigen Fluch aussprechen zu lassen: "Du hast den bösen Handel noch nicht abgeschlossen, Caesar, unterliegst einem zweifelhaften Schicksal, bist ein Geringerer als dein Schwiegersohn. Ich aber gehe frei und sicher und mit Magnus als meinem Feldherrn hinüber zu den stygischen Schatten. Hoffen darf ich, indem ich sterbe, daß du, unterlegen in einem brutalen Krieg, Pompeius und uns allen bittere Strafe leisten wirst." Zuvor hat Caesar noch seinen Spott mit dem Sterbenden getrieben:

uiderat in crasso uersantem sanguine membra
Caesar, et increpitans 'iam Magni deseris arma,
successor Domiti; sine te iam bella geruntur'
dixerat. ...

"Caesar sah den sich in seinem dicken Blut wälzenden [Domitius] und verspottet ihn: "Jetzt läßt du, Domitius, Magnus schon im Stich. Jetzt müssen die Kämpfe wohl ohne dich stattfinden."

Eine besondere Spitze liegt darin, daß Domitius 49 vom Senat zum Nachfolger (successor) Caesars als Statthalter in Gallien ernannt worden war. Nun gebraucht Caesar das Wort successor, um Domitius zu verhöhnen: "Nachfolger, ha! Schau dich nur mal an, ein feiner "Nachfolger" wärst du mir geworden."

Daß es für Lucan nicht um die Antipoden Caesar und Pompeius geht, sondern um die Freiheit und ihren Feind, wird in dieser Passage (VII 691--697) deutlich:

... ceu flebilis Africa damnis
et ceu Munda nocens Pharioque a gurgite clades,
sic et Thessalicae post te pars maxima pugnae
non iam Pompei nomen populare per orbem
nec studium belli, sed par quod semper habemus,
libertas et Caesar, erit; teque inde fugato
ostendit moriens sibi se pugnasse senatus.

"Wie im katastrophengebeutelten Afrika, wie im verlustreichen Munda, wie bei den Niederlagen am Nil, wird es auch in Thessalien nach dir, [Pompeius], nicht um deinen weltberühmten und verehrten Namen, auch nicht um die Lust am Kampf, sondern allein um die zwei Gegner gehen, die wir schon lange kennen: die Freiheit hier, Caesar dort."