Weiter im Lucan (VI 432--506)

Mehr Hexen

Blitz und Donner hervorrufen, den Lauf der Sterne manipulieren -- geschenkt! Was einen vor den Hexen erst so richtig gruseln läßt, ist ihre Macht über Menschen -- und über Gottheiten. Nicht nur thessalische, auch Hexen anderer Provenienz können die Aufmerksamkeit von Göttern fesseln ("auf fremde Altäre lenken", heißt es bei Lucan); sie können Liebe entfachen, "wo es das Schicksal nicht vorgesehen hat" und, ein Skandal, lendenlahmen Greisen Liebesverlangen einflößen. Überhaupt: im Bild der Hexe gibt es eine starke sexuelle Komponente. Dabei geht es um mehr als um bloße Liebeszauberei. Im Goldenen Esel des Apuleius etwa setzen die Wirtinnen Meroe und Pamphile ihre Künste ein, um Gäste gefügig zu machen und sexuell an sich zu binden (und sie dann zu berauben). In den Amores (I,8) läßt Ovid eine als Hexe verschriene Greisin sich als Zuhälterin betätigen (mit dessen eigener Geliebten im Angebot, wie das Erzähler-Ich erkennen muß). In Horaz' 5. Epode wird es noch schlimmer: drei Hexen, die bei Horaz auch andernorts auftretende Canidia sowie ihre Kolleginnen Sagana und Veia, graben einen vorpubertären Knaben (dessen Körper "selbst die brutalen Thraker erweichen könnte", auch dies darf man getrost sexuell verstehen) bis zum Kinn in Erde ein, damit er langsam an Hunger zugrundegehe. Sein Mark und seine Leber sollen sodann einem Liebestrank als Zutaten dienen. Im Laufe des Gedichts erfährt man: der Zauber soll einen alten und (wie, man annehmen darf reichen) Mann in die Zauberin selbst verliebt machen. Man kann diese Kombination von Geilheit und Geld unter Gier und Habgier abheften; man kann sie aber auch als Wille zur Potenz betrachten. Sicher ist die Figur der Hexe negativ gezeichnet; irgendwie schwingt aber auch so etwas wie Bewunderung mit. Wer möchte nicht solche Macht haben? Weil's so schön ist, hier ein Zitat (Ep. 5, 77--82):
maius parabo, maius infundam tibi
fastidienti poculum
priusque caelum sidet inferius mari
tellure porrecta super
quam non amore sic meo flagres uti
bitumen atris ignibus.

"Stärkeres will ich brauen, Stärkeres dir einflößen, auch wenn du den Becher satt hast. Und eher wird der Himmel unterm Meer zu liegen kommen und die Erde sich darüber erstrecken, als daß du nicht in Liebe zu mir entbrennst gleich Pech mit schwarzer Flamme."






schwarz hätte ich künstlerisch frei als rußig übersetzt in diesem Zusammenhang


Haha, das hatte ich auch einen Moment lang erwogen.


Vermutlich meinte man damals wirklich schwarz und dachte nicht an Ruß; viel zu moderner Begriff ?


Es gibt ein Wort für Ruß, fuligo, aber das meint den an Oberflächen niedergeschlagenen Ruß, also engl. soot. Ich denke schon, daß hier "rußend", "qualmend", "blakend" gemeint ist, das paßt ja durchaus zum Pech als Brennstoff. Zur Verbindung von ater mit Feuer bin ich im Lucan selbst auch fündig geworden (II 299--301):

... iuuat ignibus atris
inseruisse manus constructoque aggere busti
ipsum atras tenuisse faces,

(Das Beispiel eines Vaters, der ein Kind verloren hat): "... dann will er die Hand ins rauchende Feuer stoßen und selber die qualmende Fackel an den aufgeschichteten Hügel des Scheiterhaufens halten."


fuligo kenn ich von den Schleimpilzen. Die strahlend GELBE Lohblüte (schon als Hexenschmalz bezeichnet) ist allerdings nach der Blüte nicht so rußähnlich schwarz staubend wie ihr Verwandter der Bovistähnliche Schleimpilz.