Montag, 8. Juli 2019

Frauen auf Datingplattformen, lese ich gerade, sind geneigt, 85% der Männer auf ebendiesen Plattformen als unterdurchschnittlich attraktiv zu beurteilen. Angesichts solcher Statistiken kann man sich jede Romantik von vornherein abschminken. Es geht um Ernährer und Beschützer, um sonst nichts. Mehr noch: Es geht um die besten Ernährer und Beschützer, und da sind die oberen 15% gerade mal eben gut genug. Ich danke den Göttern auf Knien, daß ich solche Tatsachen noch nicht kannte, als ich Anfang zwanzig und auf Brautschau war. Ich hätte es aufgegeben und lieber eine Karriere als Kleriker in Erwägung gezogen. (Andererseits wäre ich vielleicht verblendet genug gewesen, mich als zu den oberen 15% gehörend einzuschätzen. Ich elender Affe. (Kann aber natürlich auch sein, noch einmal andererseits, daß die Zusammensetzung derjenigen Männer, die sich überhaupt auf Datingplattformen anmelden, nicht repräsentativ ist. Dann rekrutiert sich vielleicht der als unterdurchschnittlich beurteilte Anteil der Männer auf den Plattformen überwiegend aus den 50% der unterdurchschnittlich attraktiven männlichen Gesamtbevölkerung.))





Freitag, 5. Juli 2019

gibt es noch Brennaufsätze für Gaskartuschen, jedenfalls nicht in einer so vergammelten Stadt wie Remscheid. Die halbe Einkaufsmeile wird von Infernos, Kodis, Tedis, Woolworths etc. bestritten, von denen die einen gerade eröffnet haben und die anderen schon wieder dichtmachen. Der einzige Laden, der mit so etwas wie "outdoor" zumindest dem Namen nach wirbt, hat keine Campingartikel mehr whatsoever. Bei "Einmalhinallesdrin" Real,-- gibt es nur Grills und Fahrradschläuche und sehr, sehr schlechte Werbung für Chocolaaaaaat!, Sie wissen schon. Es ist kein Wunder, wenn die Leute dann halt lieber gleich zu Globetrotter nach Köln fahren und den Erwerb eines Brennaufsatzes mit einem kleinen Shoppingevent in der Domstadt verbinden. Was dazu führt, daß wieder ein Kodi oder Tedi oder Zeemann oder Inferno in den umliegenden Mittelzentren schließt. (Nicht daß es schade darum wäre.)

Dann ist seit gestern ein Buch, das jetzt mo. na. te. lang entliehen war, laut OPAC endlich ausleihbar -- nur am Standort ist es nicht, gestern nicht, heute nicht, im weiteren Umkreis nicht, bei den Neuerwerbungen nicht, nix. Auch in der Zwischenzeit hat es niemand verbucht. Das heißt, irgendein Hirnprinz hat den Band in der Hand gehabt, sich dann dagegen entschieden und einfach irgendwo abgestellt. Was glauben die Leute eigentlich, ist eine Bibliothek? So eine Art Hüpfburg mit Büchern?





Wie ein Gartenmöbel hat es da gestanden, als Tier erst zu wenig wirklich, um es zu glauben, dann zu wirklich, die Apperzeption gerät ins Schwanken, wird seekrank. Bis man endlich das Lebendige begriff, so erschreckend, als hätte es einen angeatmet. Da stand es, die zwei Körperhälften jeweils andere Absichten hegend, die Hinterläufe wollten schon weg, die Vorderläufe blieben neugierig. Das Ergebnis des Zwiespalts, war, daß das Tier wie leblos verharrte. So klar exponiert und verwundbar, daß ich nicht anders konnte als erstaunt zu sein über meine eigene Harmlosigkeit. Aber ich hätte niemals wie Thoreau Stunden um Stunden stehen können, so unbeweglich, daß mich die Tiere für ein Teil der unbelebten Natur hätten halten und auf mir herumklettern mögen. Im Falle des Rehs, daß es mich beschnuppert hätte oder vielleicht an meinem Ärmel geknabbert, um dessen Verzehrbarkeit zu prüfen. Ich bin ein ungeduldiger Beobachter, ich will, daß etwas passiert, und zwar gleich, und sei es auch nur, daß das Tier flieht und mich aus der Last der Beobachtung und des endlosen Moments entläßt, in den es uns beide doch selbst verzaubert hat.





Donnerstag, 4. Juli 2019

Und dann zerbersten alle Momente in Flucht. Das Reh hüpft wie über Hindernisse, über imaginäre Barren oder Leinen oder Felsen, vielleicht diente dieses Hüpfen mal einem Zweck, der längst vergessen ist, und nun kann das Reh nicht mehr anders und hüpft, springt über imaginäre Hürden. Es springt mit einer Munterkeit, Ausgelassenheit nicht unähnlich, der man den tödlichen Ernst, der für das Tier diese Flucht doch sein muß, nicht anmerkt, hüpft mit seinen Kapriolen nicht einmal besonders schnell zum Rand der Wiese, wo es hinter einem Haufen Grünschnitts Deckung sucht, offensichtlich weiß es, daß ich nicht durch Äste hindurchsehen kann. Einen Moment recken sich noch die Lauscher hinter dem Haufen, wie Antennen, dann verschwinden auch diese.





Dienstag, 2. Juli 2019

Daß der Mensch nie genug hat an der Gegenwart. Wie dieses Reh keine Folge von Momenten kennt, sondern nur den einen Moment, außerhalb dessen es nichts gibt, in dem es mich betrachtet und betrachtet und betrachtet, und daß es mich gleich nicht mehr betrachten, sondern fliehen wird, ist ihm noch gar nicht klar, auch wenn die Möglichkeit der Flucht schon in dieses unendliche Präsens hineinragen muß, andernfalls es nicht wählbar wäre: Aber es ist eben eine Möglichkeit des Jetzt, keine Möglichkeit der Zukunft, es gibt keine Zukunft aus diesem Moment heraus, es gibt nur den Moment mit seinen Optionen, und in diesem Moment sind alle Optionen gleichwertig: Flucht, Ignorieren, Äsen, Stehenbleiben, den Lauscher nach mir ausrichten, und wenn das Reh dann flieht, sind die Momente der Flucht nichts weiter als die Flucht. Das Tier fragt sich nicht, ob es diesmal wohl wieder davonkommen wird, es hofft nicht, und seine Angst ist allumfängliche Angst, für Ewigkeiten ist es auf der Flucht. Bis die Flucht zu Ende ist, so oder anders.





Montag, 1. Juli 2019

(Wie kann es eigentlich sein, daß die ersten Elektro-Tretroller bereits wenige Tage nach Inkrafttreten der Elektro-Kleinstfahrzeuge-Verordnung im Straßenverkehr auftauchten?)





Samstag, 29. Juni 2019

Wärme, und das Gewicht der Bäume.

Mundgeblasene Wolken. Die gestrafften Saiten der Segler, und wie sich der Himmel an Winden aufrichtet.

Die Greisenmünder von Pfützen, erstorbenes Blau. Luft wie die Asche parfümierter Fächer in der Brust.

Die Wege folgen mir wie Hunde. Ich überlege, mich zu verlaufen und die Wege mitzunehmen.

Ein Akt der Hingabe, wie die Stiefel eine Frau über den Asphalt tragen. Die Frau wiederum führt das Pferd an der Leine, beide führen sie mich. Melancholische Augen öffnen sich, Aufgang von Träumen im Morgengrauen, die Schatten von Monden lösen sich auf im Schimmer einer Distel. Siebgut von Wimpern am Grund der Blicke. Die Fersen verschwinden unter Farn, die Hufe verstummen.

Lange vor der Stadt geben die Wege auf und bleiben keuchend im Schatten stehen. Die Hecken halten sich die Seiten. Keine Rast von Gedanken. Für Spinnweben ist das Licht zu trocken.





Donnerstag, 27. Juni 2019

(Diese neuen Folgetonhörner mit ihrer Terzrückung alle vier oder fünf Perioden gehen gewaltig auf den Zeiger. Warum eigentlich?)





Dienstag, 25. Juni 2019

Daß es sehr dunkel ist, dunkler aus sonst, fällt mir zwar gleich auf, stelle auch fest, daß ich die Läden nicht tiefer als sonst heruntergelassen habe, aber ich begreife nicht, was los ist, denke, während ich schlaftrunken und einen bösen Traum abschüttelnd nach den Hausschuhen taste, daß es eben mitten in der Nacht ist und daher folgerichtig finster. Auch im Bad vermute ich nur, daß die Nachtleuchte wohl kaputt gegangen sein muß und stelle zuerst keine Verbindung zu der auffallend dichten Dunkelheit her. Erst als ich den Lichtschalter drücke und nichts passiert, begreife ich, daß der Strom weg ist. Der Wecker ist dunkel, der Router ein schwarzer Block, und es ist deshalb so dunkel, weil auch die Straßenlaternen nicht mehr leuchten. Also fische ich die seit April nicht mehr benutzte Stirnlampe von ihrem Haken und lege mir die Armbanduhr auf den Nachttisch, das Ziffernblatt zeigt halb zwei. Um fünf muß ich raus, hoffentlich werde ich rechtzeitig wach, entweder um fünf oder irgendwann vorher, wenn der Strom wieder da ist und ich den Wecker stellen kann. Es ist höchst erstaunlich, mache ich mir in der nächsten schlaflosen Stunde klar, wie die Literatur unsere Wahrnehmung prägt. Oder käme mir ohne die Lektüre der Wand, der Arbeit der Nacht, insbesondere von Ende diese Finsternis auch so dicht, so unheilvoll, so sinister vor? Denn nicht nur ungewohnt dunkel ist es, es ist auch ungewohnt still, als wäre irgendeine Maschine, an deren leises Summen man sich so gewöhnt hat, daß man es nicht mehr wahrnimmt, im Stromausfall abgesoffen und hätte jetzt eine Stille hinterlassen, die ebenso fremd wie bedrohlich ist, unheilverkündend. Auch Autos hört man keine mehr, auch keinen Luftverkehr, auch keine Geräusche von Wohnungsnachbarn. Nicht nur der Strom, scheint es, ist ausgefallen, die Menschen sind es auch. Keine simple Panne hat sich ereignet, sondern eine stumme Katastrophe. Die Menschen sind tot oder verschwunden. Vielleicht wird es nie wieder hell. Vielleicht kommt der Strom vorerst nicht wieder, und in wenigen Stunden beginnen die Plünderungen der Supermärkte, weil die Registrierkassen nicht mehr funktionieren und die Märkte sich weigern, Lebensmittel herauszugeben. Ob das Leitungswasser noch läuft? Ich denke an eine Szene in Cormac McCarthys The Road, und mich fröstelt. Irgendwann höre ich, wie im Treppenhaus eine Tür aufgeht. Schritte schlurfen ein paar Treppen hoch oder runter, bleiben irgendwo stehen. Die Wohnungstür wird nicht wieder geschlossen, jedenfalls höre ich nichts. Immerhin bin ich nicht allein, aber ob das ein gutes Zeichen ist? Was mache ich, wenn der Strom am Morgen noch nicht wieder da ist? Haben die Bahn und die Straßenbahn eigentlich eigene Netze? Hat es überhaupt Sinn, zur Arbeit zu fahren? Wie lange komme ich schlimmstenfalls mit meinen Lebensmitteln aus? Wo gäbe es Wasser, das man unabgekocht trinken kann? Über solchen Fragen bin ich am einschlummern, als mich das Dingdong der Telephonstation aufschreckt, und in diesem Moment gehen auch die Straßenlampen wieder an. Der Router flackert sich ins Leben zurück. Die Leuchtanzeige des Radioweckers blinkt. Der Kühlschrank beginnt zu summen, zum Glück habe ich vorhin an den nicht auch noch gedacht, sonst hätte ich mir noch mehr Sorgen gemacht. Es ist halb drei. Ich stelle die Uhrzeit neu und den Wecker und lege mich beruhigt hin. Und seltsam: Als wäre die Maschine wieder angesprungen, beginnt die Nacht tatsächlich wieder zu arbeiten; die Flugzeuge brummen wieder über den Himmel, als hätten sie den Stromausfall regungslos und mit stummen Triebwerken schwebend in der Luft abgewartet. Ein Auto braust über die Durchfahrtsstraße hinter dem Block. Ein Güterzug rasselt in der Ferne vorüber. Die Nacht hat wieder Elektrizität, ihre Räder drehen sich, ihr Mahlwerk mahlt.





Montag, 24. Juni 2019

Fünf Uhr früh, im Fenster dümpelt ein krummer Mond, wie eine eingedrückte gelbe Pflaume. Schlaftrunkener Himmel, feuchtes Grau. Eine Stunde fehlt der Nacht. Die Lider sind schwer in der Wärme, sie schwimmen wie schmutzige Plastikplanen auf der Oberfläche des Wachseins, darunter wartet der Schlaf. Das Wasser kocht, das Radio zirpt, der Mond trieft von Dunst.


Kaffee, Nachrichten, eine Mail schreiben, rein in die Laufschuhe und los. Anders als die letzten Nächte hat es nicht abgekühlt, die Luft ist glatt und weich und ohne Konturen. Duftlos: Steingärten und Asphalt geben keinen Geruch von sich. Erst an den Wiesen am Villehang belebt sich die Luft, formt sich zu einem Körper, atmet auf mit Bäumen und Schatten und Spinnweben. Lungenflügel aus sattem Licht weiten sich über den Zäunen.


Überall jetzt die Übernachtungsplätze, die stummen Winkel, das Grün von Geheimnissen, wie Küsten leuchtet es schwach jenseits der schattenspendenden Kronen. Stehenbleiben in einem Gefunkel hunderter Mücken. Die Mücken saugen, und Wasser, lassen.


Man erkennt die Hochstände nicht mehr leicht im dichten Laub. Sie sind immer schon da, wenn man aufblickt, haben den Herankommenden immer zuerst gesehen. Vielleicht treffen sie sich nachts auf einer mondbeschienenen Wiese und tuscheln miteinander. Am Morgengrauen nehmen sie dann ihre Plätze wieder ein.


Aus gegebenem Anlaß denke ich über Impfungen und das Immunsystem nach. Später werde ich in der Straßenbahn am Oberarm einer Gegenübersitzenden genau so ein Pflästerchen entdecken, wie ich selber gestern trug. Vielleicht haben wir denselben Arbeitgeber. „Keine besondere Schonung erforderlich“, das gefällt mir.


Es mangelt nicht an Disziplin, es mangelt an einem Plan. Meine Disziplin arbeitet im Leerlauf.


Melone, Kartoffelchips, Tee und Schokolade zum Frühstück.





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