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Der alternative Name der Kirschpflaume, Myrobalane, Prunus cerasifera "Kirschtragende Pflaume", kommt aus dem Altgriechischen (μυροβάλανος), wo es eigentlich eine Dattelart, die Wüstendattel, bezeichnet. Die Wüstendattel hat nun mit Pflaumen, ja mit Rosengewächsen, ja selbst mit der Ordnung Rosales nicht das geringste zu tun. Übrigens ist sie auch keine Datteln, das ist wieder so ein volkstümlicher Misnomer, wie die Rottanne (die eine Fichte ist) oder die Weißbuche (die keine Buche ist), sondern eine Art der Gattung Balanites in der Familie der Jochblattgewächse. Echte Datteln nämlich sind nicht einmal zweikeimblättrige Pflanzen, also von den Rosaceae oder den Jochblattgewächsen durch eine Unterteilung sehr hoher Ordnung getrennt (also ziemlich weit oben im Stammbaum). Der moderne Name Myrobalane für die Kirschpflaume setzt sich zusammen aus dem Morphem Myro- von μύρον "süßer Pflanzensaft, Salböl" und βάλανος "Eichel", bedeutet also wörtlich "Öleichel" oder vielleicht "Dufteichel". Als Myrobalanen werden aber auch noch die Arten der Gattung Terminalia innerhalb der Familie der Flügelsamengewächse (Combretaceae) bezeichnet, die weltweit in den Tropen verbreitet sind; ferner trägt der Amlabaum (Phyllanthus emblica) diesen Trivialnamen (auch bekannt als "Indische Stachelbeere", obwohl die Pflanze nichts mit Stachelbeeren, einer Pflanze aus der Familie der Stachelbeergewächse (Grossulariaceae) -- und immerhin eine echte Beere -- zu tun hat)
Weiter im Lucan.
Die Entrüstung der Soldaten über Caesars gefährliche Eskapade hat etwas Rührendes; man meint, immer noch das schlechte Gewissen über die Meuterei herauszuhören, wenn sich Caesars treue Legionäre so lautstark um ihren Anführer besorgt zeigen. Andererseits, wo sollten sie auch hin, wenn Caesar als Kopf und Garant für den Erfolg des ganzen Unternehmens nicht mehr wäre? Caesar ist ihre Trumpfkarte, auf die sie alles gesetzt haben, ein anderes Blatt haben sie nicht im Ärmel. Das hat ihnen zuletzt Caesar selbst auseinandergesetzt, als er sie wegen ihres Wankelmutes rügte. Interessant auch die kindliche Argumentation: Du hast die Götter, das Schicksal für eine Kleinigkeit herausgefordert, du hast ihre Gunst dazu gebraucht, Überlebender eines Schiffbruchs zu sein. -- Als gäbe es eine Portion Glück, und Caesar habe die seine für etwas Lächerliches aufgewendet (698f):Metonymie: sopor "Betäubung" --> "Schlaf" (690)
Sonstige Irrwege dieses Vormittags:
Plejaden --> Parsec --> Parsec --> Bogensekunde --> Grad (Winkel) --> zusammengesetzte Zahlen --> Grad --> Radiant --> Kreisbogen --> Tangensfunktion --> Parsec --> dünnes Dreieck.
(1 Parsec, übrigens, ist die Entfernung, aus der eine Astronomische Einheit (AU, die Entfernung Erde--Sonne, ungefähr 150 Mio km) genau eine Bogensekunde groß erscheint. Umgekehrt heißt das: Wenn ein Objekt, von zwei Positionen auf der Erdbahn um die Sonne aus beobachtet, deren Entfernung dem Abstand einer AU entspricht, eine Parallaxe von 1 Bogensekunde aufweist, dann beträgt seine Entfernung zur Sonne ein Parsec.)
Wetter und Himmel, Naturgewalten überhaupt: Je weiter man liest, desto mehr scheinen solche Beschreibungseinschaltungen zum festen Inventar dieser Dichtung zu gehören. Bislang gab es böse Vorzeichen (I 526--583), Flut (IV 48--120) und Rückkehr schönen Wetters (121--135), und jetzt eben Meeressturm. Klappern gehört zum Handwerk, möchte man sagen, Hyperbole zum Handwerk des Epikers. Schon allein, daß unter den Winden (Aquilo, Corus, Boreas, Eurus, Notus, Nord-, Nordwest-, nochmal Nord-, Südost-, Südwind, resp.) alle Himmelsrichtungen vertreten sind (jeder weht aus seiner vertrauten, solita de parte, Richtung), macht deutlich, daß hier alles andere als eine naturalistische Beschreibung angestrebt wird. Stattdessen bekommen wir eine poetisch überhöhte Schilderung, deren Überzeichnung poetisch wahrer ist als die Wirklichkeit. Sogar die Meere vermischen sich, das Tyrrhenische läuft in die Ägäis über, im Ionischen Meer tönt die Adria. Berge gehen unter, gegen die die Wellen so oft vergebens brandeten, im Meer tun sich Furten bis zum verborgenen Grund auf, der eine Wind peitscht die Wellen gegen die Klippen, ein anderer stößt sie wieder zurück, und sogar der die Erde umfassende Ozean trägt seinen Teil zum Getümmel bei. Bei Lucan lesen wir auch zum erstenmal in der Geschichte von Monsterwellen (620): a magno venere mari, mundumque coercens / monstriferos agit unda sinus ... Es herrscht Dunkelheit, aber es ist nicht die Dunkelheit der Nacht, die Luft selbst ist von der Blässe des Totenreiches eingeschlossen und opak; das furchterregende Licht selbst stirbt, keine Blitze erhellen die Schwärze, die wolkige Luft teilt sich zur Dunkelheit. Zuletzt knirschen noch die kosmischen Getriebe, der Himmel wackelt, die Achse ächzt, die Natur fürchtet sich vor der Rückkehr des Chaos und der Nacht, die "die Schatten der Unterwelt mit den Göttern vermischen". Viel schlimmer kann es eigentlich nur noch beim Vakuumzerfall kommen.
Lange Zeit habe ich Neutronensterne nicht verstanden. Na ja, das ist insofern kaum verwunderlich, als nicht einmal Astrophysiker Neutronensterne vollständig verstanden haben. Ich habe aber etwas ganz Grundlegendes über Materie und Gravitation nicht verstanden. Vereinfacht gesagt, entsteht ein Neutronenstern, wenn im Innern eines Sterns einer bestimmten Mindestmasse am Ende seines Lebens die Kernfusion zum Erliegen kommt. Ein Stern ist nur deswegen stabil, weil sich zwei Kräfte die Waage halten: die Kernfusion erzeugt einen Strahlungsdruck nach außen; die eigene Schwerkraft einen Druck nach innen. Fällt der Strahlungsdruck weg, wird der Gravitation nichts mehr entgegengesetzt, der Stern fällt buchstäblich in sich zusammen und bildet eine sehr dichte Kugel, bei der die Materie etwa so stark zusammengequetscht wird, als ballte man die Masse unserer Sonne zu einer Kugel von 20 bis 30 km Durchmesser. Also sehr, sehr dicht. (Die Sonne hat einen Durchmesser von 1.392.684 km.) Was ich nicht verstanden habe, war: Gibt es denn keine, sagen wir mal Rückstellkraft, die den Kollaps irgendwann aufhält? So daß also alles wieder zurückschnellt und ein zwar kompakter, aber wenig rätselhafter Klumpen übrig bleibt? Die Antwort ist, es gibt eine solche Kraft, man nennt sie Entartungsdruck, und sie beruht auf dem sogenannten Pauli-Prinzip, demzufolge niemals zwei identische Fermionen (Teilchen, die einen halbzahligen Spin haben, egal. Dazu gehören alle Teilchen, aus denen Materie besteht) am selben Ort vorkommen können. Ich habe mich weiter gefragt, warum sich der extrem dichte Klumpen nicht einfach wieder entspannt, wie ein Softball, wenn die Hand, die ihn zusammendrückt, ihn losläßt. Die Antwort ist einfach: die Hand in diesem Beispiel ist die Gravitation, und die läßt den Stern nicht los. In seinem Innern ist der Druck so hoch, daß die Elektronen der Atome von den Protonen eingefangen werden und sich unter Abgabe eines Neutrinos in Neutronen umwandeln (Betazerfall), daher der Name "Neutronenstern". Es läuft eben darauf hinaus, daß sich in diesem Universum nicht beliebige Mengen an Materie auf einem Fleck versammeln können, ohne daß merkwürdige Dinge passieren. Das heißt, auch eine Eisenkugel (aus bestimmten Gründen ist die Kernfusion höherer Elemente als Eisen ein energieverbrauchender Prozeß, der von allein nicht stattfindet) von der acht- bis zwölffachen Masse der Sonne wäre nicht stabil, wenn irgendwer es schaffen sollte, so viel Eisen auf einen Fleck zu werfen: die Kugel würde ebenso implodieren wie ein Stern am Ende seines Lebens und einen Neutronenstern bilden.
Lucan V 561--637
Sturm, Wolkenbrüche, wilde See, die bösen Zeichen bewahrheiten sich. Der Fischer will umkehren, nicht aus Angst, sondern weil er befindet, daß die italische Küste nicht zu erreichen sei; man solle umkehren, solange es noch möglich sei. Darauf Caesar, selbstbewußt wie er nunmal ist: Wüßte sein Fährmann, wen er da befördere, er hätte keine Angst. Die Götter verließen diesen Passagier niemals. Sein Glück täte ihm Unrecht, wenn es erst einträfe, nachdem er Gebete gesprochen habe. Dies hier sei die Aufgabe von Wind und Wetter, nicht die des Schiffes. Dieses werde durch die Anwesenheit Caesars vor den Fluten geschützt. So Caesar. Um dann dem ganzen noch die Krone aufzusetzen und das Geschehen, das man leicht als Widerstand der Fortuna gegen das Vorhaben Caesars auffassen könnte, dreist umzudeuten:
"'Du weißt nicht, was mit diesem Aufruhr vorbereitet wird: Fortuna sucht darin, was sie für mich leisten kann.'"
563: Gestörte Ordnung der Dinge, selbst die Sterne scheinen zu wackeln im Sturm. Das Unwahrscheinliche bei dieser Vorstellung läßt an den Topos denken, in dem die Zauberin den Mond zur Erde ziehen und Ströme rückwärts laufen lassen kann.
Bei Lucan gibt es keine Beschreibung von Naturgewalten ohne Übertreibung:
"... daß [die Winde], aus ihren bekannten Richtungen brausend, mit rasendem Wirbel ihr Terrain behaupteten, und daß so das Meer an seinem Platz blieb." Die Aussage ist abhängig vom Matrixverb crediderim "ich möchte glauben", was die Unglaubhaftigkeit eines solchen Geschehens noch verstärkt. Vielleicht ist es aber auch anders zu lesen, nämlich alles im Sinn von, "so schien es", "es war, als ob". Die Form crederes bedeutet ja "man hätte glauben können". Daß hier die erste Person verwendet wird, ist freilich seltsam. Es scheint ausgeschossen, daß Lucan bei allem, was der Dichter bei der Schilderung des Seeabenteuers an Wind, Wasser, Wirbeln, Gischt und bösem Wetter auffährt, hier eine ironische Relativierung des Gesagten beabsichtigt.
Bei Caesar selbst findet sich kein Wort zu diesem Abenteuer, das aber laut dem verlinkten Kommentar bei Dion (Cassius Dio? Dio Chrysostomus?), Appian und Plutarch erwähnt wird. Vielleicht wurde es erfunden, um Caesar den Ausspruch "Fürchte dich nicht, du fährst Caesar" in den Mund legen zu können.
Über diese Verse lange gegrübelt:
Auch die Übersetzung vermochte nicht weiterzuhelfen. Schon irgendwie klar, was das heißen soll; unklar hingegen blieb die Syntax. vetustas ist Nominativ, ebenso pontus. "Die See, das Alter". Was ist hier das Subjekt? Das Partizip oblitus kann sich nur auf pontus beziehen. "Die See als lange Existenz, indem sie vergaß"? Manchmal ist die Auflösung ja ganz einfach, man muß nur ein paar Vokabeln wissen.
Über Marcus Antonius: iam tum ciuili meditatus Leucada bello (V 479). Leukas, heute Lefkada, Insel im Ionischen Meer, südlich des Ambrakischen Golfs. An dessen Einfahrt an der Südseite liegt Actium, bekannt für die Schlacht, in der Octavianus, der spätere Kaiser Augustus, seinen Konkurrenten Antonius ausschaltete und sich die Alleinherrschaft sicherte. "Schon damals plante Antonius für seinen eigenen Bürgerkrieg sein Actium" ist also eine ironisch formulierte Aussage über Antonius' Ehrgeiz und persönliche Aufstiegspläne. Plante sein Actium heißt soviel wie plante seinen Untergang. Das wäre so, wie wenn wir heute sagen würden, Barschel plante bereits seine Badewanne.
483f: summa manus "letzte Hand" iSv final touch.
Schwarze Löcher sind sozusagen ein Nulldivisionsfehler des Universums.
Noch einmal die beiseitegewischten Omina (Lucan V 395f):
Noch einmal, am Morgen seines Todestages, wird Caesar ein schlechtes Vorzeichen mißachten und die tödliche Senatssitzung aufsuchen, vor der ihn ein Traum seiner Gattin gewarnt hatte.
V 403--460: Nachdem Caesar sich quasi selbst zum Consul ernannt hat, eilt er in Windeseile nach Brundisium (Brindisi), in der Absicht, nach Griechenland überzusetzen und Pompeius dort endgültig auszuschalten. Windstille hält die Flotte zunächst mitten auf dem Meer fest, wo sie -- manövrierunfähig -- einem Angriff gegenerischer Schiffe schutzlos ausgesetzt wäre. Doch abermals zeigt sich Caesars Fortuna günstig. Das Wetter schlägt um und trägt die Schiffe schnell nach Palaeste (ein Hafen in Epirus).
Die Flüsse Hapsus (Apsus) und Genusus. Auf der Wikipedia gibt es eine äußerst brauchbare Liste antiker geographischer Bezeichnungen, darin für jeden Namen, gleich ob als Lemma auf der Wikipedia vorhanden oder nicht, einen Verweis auf Smith. Die beim letzteren aufgeführten modernen Bezeichnungen (Uzúmi, Devól, Beratinós) auf Openstreetmap, auf der deutschen, der griechischen und der englischen Wikipedia zu finden versucht, vergebens. Noch einmal genau hingeschaut: das Lexikon von Smith ist von 1854, okay, das ist nicht mehr ganz aktuell, und der Balkan, was Sprachen und Namen angeht, nicht gerade die konservativste Weltgegend. Manchmal muß man Glück haben: auf dem Mars (ja, genau, dem Planeten) gibt es ein Flußbett (channel), das nach dem antiken illyrischen Fluß Apsus Vallis heißt, und diese areologische Formation hat einen Eintrag auf der englischen Wikipedia. Dort aber wird dankenswerterweise auch angegeben, nach welchem irdischen Gewässer das Tal benannt ist. Es handelt sich um einen Strom im heutigen Albanien, dem Seman. Nach dem Gewässer Genusus ist leider keine areologische Formation benannt. Aber es gibt ein Lemma Genusus auf der englischen Wikipedia. Der moderne Name des albanischen Flusses, erfährt man dort, ist Shkumbin. Unter der bei Smith angegebenen Schreibweise "Skumnbi" ist die Suche selbst mit modernen Meinten-Sie-xyz?-Methoden erfolglos. Zwischen Genusus und Apsus liegt heute eine Flachwasserlagune, die vom offenen Meer nur durch eine schmale Düne getrennt ist, die Lagune von Karavasta. Hier irgendwo wird es wohl gewesen sein, daß Caesar und Pompeius ihre Lager errichteten. Hapso gestare carinas heißt es da (463f), causa palus, leni quam fallens egerit unda. egerit nicht von ago, das ergäbe von der Form (Fut. II oder Konj. Perf) keinen Sinn, sondern von e-gero "herausführen, -tragen, -treiben": "Daß der Apsus Schiffe tragen kann, liegt an dem See, den er mit unmerklicher Strömung hinausführt" Sollte das die Vorform der heutigen Lagune gewesen sein? Um diese Frage zu beantworten, müßte man wissen, wie solche Lagunen sich bilden; wie schnell sie verlanden; wie der Tiefgang der römischen Kriegsschiffe im ersten vorchristlichen Jahrhundert war, und ob solche Schiffe in die Lagune mit ihrer damaligen Tiefe hätten einfahren können.
Passend zu meiner aktuellen Lektüre von Against the Grain heute einen Podcast über die Himmelsscheibe von Nebra gehört (eine Folge der überaus hörenswerten Reihe Das Universum von Florian Freistetter und Ruth Grützbauch). Darin weist der Wissenschaftsjournalist Kai Michel, Co-Autor des Buchs Die Himmelsscheibe von Nebra. Der Schlüssel zu einer untergegangenen Kultur im Herzen Europas (Kai Michel und Harald Meller 2018) darauf hin, daß ein Objekt wie die Himmelsscheibe Herrschaft legitimierte, und daß Kalenderwissen Herrschaftswissen war. Das schließt unmittelbar an Scotts interessante Ideen zur frühen Staatenbildung an, daß nämlich Staaten nur dort entstehen konnten, wo Getreide, wegen der Eigenschaft der einzelnen Pflanzen, gleichzeitig in einem sehr kurzen Zeitfenster zur Reife zu kommen, als kontrollierbares, einem Abgaben- Erhebungs-, Eintreibungs- und Buchhaltungssystem unterwerfbares Produkt zur Verfügung stand. Wer nun den Kalender kontrollierte, kontrollierte das Getreide und die, die es anbauten.
Luc. IV 805 sanguine poenas Asso: In der ennianische Phrase klingen komplexe ideologische, politische und religiöse Bezüge auf. Kommt in der Aeneis viermal vor, aber auch in Ovid, Fasti (IV, 239) Mit dem Bezug auf den Urmythos Roms, den Brudermord des Romulus an Remus, wird über die Formulierung bei Ennius nicht allein die katastrophale historische Niederlage Curios, sondern auch der Bürgerkrieg insgesamt, sowie, könnte man sich denken, sogar die späteren dynastischen Kämpfe der Kaiserzeit auf eine mythische Ebene gehoben, erscheint die Jetztzeit als Ende eines Kontinuums mit dem Archaischen.
812 omne ... senium. Asso: senium = "Alter" im Sinne von "Hinfälligkeit, Verfall" Wieder so eine schwierige Metonymie: "Die Kunde (der Ruhm) davon wird von diesen Taten alle Vergänglichkeit zurückweisen." Die sprachliche Deutung wird erschwert durch die implizite doppelte Verneinung von Vergänglichkeit (also das Nicht-Bestehen) und zurückweisen (also das Nicht-Zulassen). Die fama wird nicht zulassen, daß die Tat nicht (im Gedächtnis) bestehen bleibt = die Tat wird durch die fama erhalten bleiben (nicht nicht-vergehen).
Buch IV abgeschlossen: Caesar vor Ilerda -- die große Flut -- die verfeindeten Soldaten pfeifen auf den Krieg -- werden zur Raison gebracht -- Durst im Lager des Afranius und Kapitulation -- Schauplatzwechsel. Dalmatien, Flucht auf Fässern -- Vulteius und sein Floß werden festgesetzt, Kampf und Selbstmord -- Schauplatzwechsel, Libyen, Curios Feldzug -- Einschaltung der Antaeus-Geschichte -- Curios Niederlage gegen Iuba und Tod.
(Asso, Paulo. A Commentary on Lucan, De bello civili IV. Berlin, New York: De Gruyter 2010)
Die Idee des Warpantriebs ist alt und wie so viele technische Ideen wurde sie von einem Science-Fiction-Autor ersonnen. Vor ungefähr neunzig Jahren erschien in der amerikanischen Zeitschrift Amazing Stories eine Geschichte, in der diese Umgehung des Einsteinschen Dictums, daß nichts sich schneller als das Licht bewegen könne, zum ersten Mal formuliert wurde: Was, so der Gedanke, wenn der Raum selbst sich bewegte, die Massen darin aber hinsichtlich einer sie umgebenden Raumblase stillstünden? Die Beschränkung auf Unterlichtgeschwindigkeit gilt für alles, was eine positive Masse hat -- nichts spricht dagegen, daß der Raum selbst, etwa eine Welle im Raum, sich überlichtschnell fortpflannzt. Könnte man nicht auf einer solchen Welle reiten wie ein Surfer? Natürlich bleiben da ein paar kleine technische Probleme, aber immerhin verletzt ein solcher Ansatz nicht die Relativitätstheorie. -- In diesem Video wird das Prinzip erklärt und ein paar Probleme aufgezählt. Normalerweise nimmt man die Einsteinschen Feldgleichungen, um ausgehend von einer bekannten Masse die dazu gehörende Raumzeitgeometrie zu berechnen. Der mexikanische Astrophysiker Miguel Alcubierre ist den umgekehrten Weg gegangen und hat, ausgehend von der Raumzeitgeometrie eines angenommenen Warpantriebs rückwärts gerechnet, ob es dazu mögliche Lösungen der Gleichung gibt. Vorläufig kann man nur sagen, daß die Gleichung einen solchen Warpantrieb zwar zulassen; aber nur weil sich die Gleichungen so auflösen lassen, daß sie die Möglichkeit des Warpantriebs nicht ausschließen (etwa, indem irgendein Wert gegen Unendlich geht, was immer ein schlechtes Zeichen ist), bedeutet nicht, daß er auch möglich ist. So setzt beispielsweise der Alcubierre-Drive, die Existenz von exotischer Materie und negativer Energie voraus. Nicht gerade das, was sich mit Schmieröl und Schraubenschlüssel hinkriegen ließe.
Zwei faszinierende Vorschläge zur Etymologie aus der Antike überlieferter Ethnonyme Nordafrikas: Luc. IV 681 Mazax könnte nach Oric Bates (1914) auf eine Wurzel MZGH zurückgehen, die "edles oder freies Volk" bedeute. Gsell (1927) und Weinstock in RE XIV.2.2349-52 s.v. "Mauretania" schlagen als Herkunft für "Mauren", "Mauretanien" usw. das semitische Maouharim, "Volk des Westens" vor. (Bates, Oric. 1914. The Eastern Libyans: An Essay. London: F. Cass.) (Gsell, Stéphane. 1927. Histoire ancienne de l'Afrique du nord: 5. Les royaumes indigènes. Organisation sociale, politique et économique - 6. Les royaumes indigènes. Vie matérielle, intellectuelle et morale, 8 vols. Paris: Hachette.)
702-710 Monolog als Spekulation darüber, was Curio vor seiner Ansprache an die Soldaten in Caesar BC 2.32 im Kopf gehabt haben könnte.
737-739
Asso dazu: "L. says that the bellum ciuile is claiming Curio as its auctor (Duff’s translation in the Loeb), or better ‘civil war was claiming the man who made it’ (Bramble 1982,548)." Curio (der iuvenis der angeführten Passage) ist nach unseren Quellen der Überbringer des Ultimatums, das Caesar zu Beginn des Jahres 49 dem Senat stellt, also diejenige Figur, die den Krieg unmittelbar auslöst. -- Man könnte die Passage aber auch anders übersetzen, indem man nämlich fortuna als Subjekt beibehält und das suum in auctorem suum darauf bezieht: "Fortuna hatte den Mann dem Schicksal übergeben und zog den Bürgerkrieg als ihr Instrument (auctor) heran." (Na ja, vielleicht auch nicht.)
Noch was zum Thema "Katastrophen ziehen mich an": Seit längerem habe ich mich nicht mehr mit dem Rätsel um Flug MH 370 beschäftigt. Damals verschwand eine Boeing 777 der Malaysian Airlines auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking. Bislang hat man ein paar Wrackteile gefunden, die tausende Kilometer von der möglichen Unfallstelle entfernt an Land gespült wurden. Dieses Filmchen erzählt die Geschichte der bisherigen Ermittlungen und geht ein paar Erklärungsansätze (Entführung, Hackerangriff, Selbstmord des Piloten, Brandunfall) durch. Meine eigene Vermutung dazu ist, daß es bei MH 370 einen Zwischenfall ähnlich demjenigen gegeben hat, der 2005 die Besatzung von Helios-Airways-Flug 522 außer Gefecht setzte. Demnach wäre nach dem letzten Kurswechsel niemand mehr an Bord handlungsfähig gewesen und das Flugzeug steuerlos weitergeflogen, bis der Treibstoff verbrannt war, ehe es schließlich auf dem Ozean zerschellte. Aber was immer damals passiert ist: Jede der Hypothesen klingt letztendlich banal; es gibt wohl keine Erklärung, die faszinierender wäre als das Rätsel, an dessen Stelle sie im Aufklärungsfall treten würde.
Ein bißchen rhetorische Spielerei (Lucan IV 556ff):
morte virorum mors virtutis, jaja, wir haben schon verstanden. "Beim Tode der Männer der Tod an Mannhaftigkeit hat den geringsten Teil." Selbst bemüht klingt das im Deutschen nach nichts. Vielleicht als Chiasmus? "Beim Tode der Männer an Mannhaftigkeit der Tod hat den geringsten Teil." Oder freier: "so braucht den geringsten Mannesmut der Tod beim Tode der Männer." Na ja.
Sternbilder in der Antike (ibid 525-528):
"Auch war der Himmel nicht träge, die Sterne zum Meer zu neigen; denn die Sonne stand in den Ledäischen Sternen, wenn das höchste Licht dem Krebs am nächsten ist; da beschleunigte die kurze Nacht die Thessalischen Pfeile."
Die Passage bedeutet paraphrasiert nichts weiter, als das Sommer war und die Näche kurz. Ledäische Sterne, das könnte das Sternbild Schwan sein, das auf der Nordhalbkugel im Sommer zu sehen ist. Ledäisch, von Leda, wegen des Zwischenfalls mit Zeus, der dieselbe bekanntlich in Gestalt eines Schwans schwängerte. Wenn das Sternbild im Sommer zu sehen ist, heißt das aber gerade nicht, daß die Sonne in diesem Sternbild steht, im Gegenteil. Was aber soll tenet hier heißen? Die Thessalischen Pfeile werden in den von mir konsultierten Übersetzungen (bei Perseus bzw. Poetryintranslation) als "Schütze" wiedergegeben. Ich finde allerdings auf der Wikipedia auch ein Sternbild Sagitta: Und tatsächlich, es steht tiefer als der Schwan und dürfte im Sommer als eines der ersten untergehen, wenn der Tag dämmert.
Lucan IV 275: uincitur haut gratis iugulo qui prouocat hostem. Herumgerätselt, was damit bitte gemeint sein soll. Der Kontext: von Caesars Truppen eingekesselt, entschließt sich der verzweifelte Feind zu einer todesverachtenden Tat und greift an. Caesar aber befiehlt seinen Soldaten, mit dem Schwert zu sparen und abzuwarten, daß der Ansturm sich von selbst totläuft. Und dabei sagt er die angeführte Gnome, die ich mal unbeholfen-wörtlich als "Nicht ohne Preis wird besiegt, wer den Feind zum Morden provoziert" wiedergeben will. Wie aber findet dieser Allgemeinplatz Anwendung auf die Handungssituation? Das hängt von der Frage ab, auf wen der "Feind" in der Gnome Anwendung findet: Sind es Caesars Feinde, oder ist es der Feind aus Sicht der Feinde, also Caesars eigene Soldaten? Hier folgende Übertragung gefunden: "he who provokes his foe into giving up his life, gains victory at little cost." Lange gegrübelt, wie das mit dem lateinischen Vers zur Deckung zu bringen wäre. Manchmal ist man ja langsam und steht sich selbst im Weg, weil man sich von einer bestimmten Interpretation nicht freimachen kann. In diesem Fall war es die Vorstellung, der "Feind" müsse der Feind sein, Caesars Feind; und völlig ratlos gewesen wegen des passiven vincitur. Erst eine zweite Übertragung machte die Sache klarer: "he falls not without price Who with his life-blood challenges the fray." Das heißt, dein Sieg durch den Heldentod deines Gegners hat dennoch seinen Preis (in Blut), wozu auch der Vers ... iuventus ... damno peritura meo, "die Truppe, die zu meinem Schaden zugrunde geht", paßt. Was die erste Übersetzung ("he who provokes ...") eigentlich sagen will, wenn nicht das genaue Gegenteil der zweiten, ist mir nicht klar.
Eine seltsame Konstruktion ist Lucan IV 280: perdant velle mori Das kann wohl nur soviel heißen wie "sollen sie es ruhig aufgeben, sterben zu wollen", eine Konstruktion mit perdere, die mir neu ist. Nichts dazu gefunden in den Wörterbüchern.
Versucht, die Konzepte der Kumulativen Inzidenz, der Inzidenzdichte und der Inzidenzrate zu verstehen. Ok, die Kumulative Inzidenz C ist der Anteil der Menschen N1 an der Beobachtungsmenge N0, die in einem gegebenen Zeitraum mindestens einmal an der Krankheit erkranken: C = N1/N0. Ist die Beobachtungsmenge gleich der Gesamtbevölkerung, spricht man von der Prävalenz P einer Krankheit. Sie ist eine Zahl zwischen 0 und 1 und kann, auf eine bestimmte Person bezogen, als Wahrscheinlichkeit für diese Person interpretiert werden, im gegebenen Zeitraum an der Krankheit zu erkranken.
Die Inzidenzdichte I ist kein so einfaches Konzept mehr. Das beginnt schon mit dem darin zum Tragen kommenden Begriff der "Personenzeit unter Risiko". Ok, als Risikozeit bezeichnet man die Zeit, die ein Individuum gesund ist, also dem Risiko unterliegt, zu erkranken. Die Personenzeit unter Risiko ist nun die Risikozeit aller betrachteten Individuuen zusammengenommen. Die Inzidenzdichte ist dann das Verhältnis der Anzahl von Erkankungsfällen n pro Personenzeit unter Risiko T: I = n/T. Dieser Wert liegt zwischen 0 und unendlich pro Zeiteinheit, wobei die Einheit austauschbar ist, da sie unabhängig ist von der Länge des Beobachtungszeitraums, wofern angenommen wird, daß die Inzidenzdichte konstant bleibt (bei chronischen Erkrankungen beispielsweise). Ich muß gestehen, daß ich mir unter diesem Wert absolut nichts vorstellen kann. Was ist das intuitiv? Keine Ahnung. Ist das überhaupt ein Wert, für den die Alltagssprache einen Begriff hat wie etwa "Geschwindigkeit" oder "Beschleunigung"?
Die Inzidenzrate R ist wieder einfach. Sie ist das Verhältnis zwischen Anzahl der Erkrankungen n und dem zeitlichen Mittel der Populationsgröße N. Zeitliches Mittel deswegen, weil in jeder Population Zu- und Abwanderung, Sterbefälle und Geburten auftreten und die Zahl der beobachteten Individuen je nach gewähltem Zeitraum mehr oder weniger start schwankt. Multipliziert man die gemittelte Populationsgröße mit der Länge des Beobachtungszeitraums, erhält man unter Vernachlässigung der Krankenzeiten wieder die Personenzeit unter Risiko. Weswegen R und I manchmal gleichgesetzt werden.
Die Paarhufer (Artiodaktyla) (die so heißen, weil sie eine gerade Zehenzahl haben, also zwei oder vier), Schwestergruppe Unpaarhufer (Perissodaktyla), umfassen die Untergruppen der Flußpferde-und-Wale (Flußpferde sind wahrscheinlich enger mit den Walen verwandt als andere Paarhufer), Wiederkäuer (Ruminantia), Schweineartige (Suina) und die Schwielengänger (Tylopoda, das sind die Alt- und Neuweltkamele). Die Kamele käuen zwar wieder, sind aber aus anderen Gründen keine Ruminantia; ihr Wiederkäuen ist das Ergebnis konvergenter Evolution, wie der Vergleich des Aufbaus ihres Magens und der Mägen der echten Ruminantia zeigt. Es gibt also Wiederkäuer, die wiederkäuen, und Tiere, die wiederkäuen, aber keine Wiederkäuer sind. Die Gruppe der Ruminantia ist wohl die mit der größten Vielfalt innerhalb der Paarhufer. In ihr finden sich die Stirnwaffenträger (Pecora) und die sogenannten Hirschferkel. Erstere unterteilt die Systematik in Giraffenartige, Hirsche, Hornträger (hierhin gehören Rinder, Schafe, Ziegen ... aber auch Gazellen) sowie die Gabelhornträger (Gabelböcke). Bei den Hirschen sind Hirsche im weiteren Sinne (Cervidae, mit den Untergruppen Cervinae und Capreolinae) und Hirsche im engeren Sinne zu unterscheiden. Hirsche im engeren Sinne haben den Systematikpfad Cervidae/Cervinae/Cervini/Cervus. Innerhalb der Capreolinae (Trughirsche), der Schwestergruppe der Cervidae innerhalb der Hirsche s.l. findet sich auch unser gewöhnliches Reh (Capreolus capreolus) mit dem Systematikpfad Capreolinae/Capreolini/Capreolus. Übrigens gehören auch der Elch und das Ren zu den Capreolinae, und zwar als Tochtergruppe der Schwestergruppe (N.N.) der Capreolini, sind also Cousins der Rehe -- und damit näher mit unserem heimischen Reh als mit dem heimischen Rothirsch (Rothirschen?) verwandt. (--> Abteilung Jetzt-müßte-ich-mir-das-nur-noch-merken)
gladius dissuasor iusti (Luc. IV 248) -- klingt fast so, als habe das Schwert einen eigenen Willen, eine eigene katastrophische Absicht. Dahinter steckt wohl die Einsicht, daß Gewalt eine Eigendynamik besitzt; ist erst einmal die letzte Hemmschwelle überwunden, tötet es sich von ganz allein, dum feriunt, odere suos, animosque labantis Confirmant ictu, während sie zuschlagen, beginnen sie, die ihren zu hassen, und ihren schwankenden Sinn stärken sie mit jedem Schlag. -- Im übrigen verstehe ich nicht ganz die Rhetorik des Petreius, und wie dessen etwas dürre Rede es schafft, die eben wiederverbrüderten Soldaten zu neuem Haß aufeinander anzustacheln. Der Verweis, sie hätten Pompeius, der nichtsahnend am Rand der Welt nach Verbündeten suche und noch nicht ahne, daß die Verbrüderung ihn schon aufgegeben habe, verraten, klingt ja nicht schlecht; aber kann das in den Augen der Soldaten überzeugen, daß es besser ist, den Kumpanen zu erschlagen, als den fernen Heerführer zu verraten? Frieden gegen Freiheit, darauf basiert das zweite Argument. non hoc civilia bella, Ut vivamus, agunt, der Bürgerkrieg geht nicht darum, zu überleben. Sondern? Unsere Freiheit wird niemals der Preis und der schändliche Gegenwert für unsere Rettung sein. Wir werden in die Sklaverei verschleppt unter dem Anschein (nomen) der Freiheit. Nie, so der Gedanke weiter, würden Menschen Erz für Waffen schürfen, nie Wehrmauern bauen, nie Flotten übers Meer schicken, wenn Frieden gegen Freiheit käuflich wäre. Nun, große Worte. Und die Brüderlichkeit? In dieser Stelle geht es wieder einmal um die Frage nach dem Wert des Einzelnen (Frieden) gegenüber dem Wert der Gesellschaft (Freiheit), oder anders ausgedrückt: Petreius beschwört einen Wert, von dem der einzelne Soldat nicht das geringste zu gewinnen hat. Ob der Soldat unter der Res Publica Libera dient oder unter einem Tyrann, ergibt wenig Unterschied. Wobei Freiheit, könnte man sagen, weder von einem Sieg Pompeius' noch von der Durchsetzung Caesars zu erwarten ist. Was der kaiserzeitliche Leser Lucans in seiner Position der Rückschau sehr wohl weiß.
Wie verschiebt man ein ganzes Sonnensystem? Hier wird's erklärt.