(Lucan V 300--339)
Wie kriegt man eine unzufriedene, zur Meuterei bereite Menge Soldaten wieder gefügig? Man packt sie bei ihrer Ehre, ihrem Stolz und ihrem Ehrgeiz. imbellis anima "unkriegerischer Charakter", fugam meditata iuventus "auf Desertion sinnende Mannschaft", lassata iuventus "verweichlichte Mannschaft", das ist das Vokabular, das Caesar in seiner Rede an die unzufriedenen Legionäre verwendet: ihr könnt gehen, ihr Feiglinge; überlaßt mich meinem Krieg und meinem Schicksal; aber für jede eurer abgelegten Waffen wird sich ein echter Mann finden. Ihr glaubt doch nicht, daß halb Italien mit einer gewaltigen Flotte Pompeius auf seiner Flucht folgt, mir aber meine Siege keine Truppe verschaffen werden, die euch eurer Belohnung fürs Kämpfen berauben und mich auf meinem Triumphzug begleiten wird? So führt Caesar den Soldaten die vermeintlichen Folgen ihrer Desertion vor Augen: als verachtete Schar von Greisen werdet ihr, die römische Plebs, meinen Triumph erleben. Mit anderen Worten: jetzt kneift ihr, aber später, wenn wir gesiegt haben und den Lohn unserer Mühe ernten werden, dann werdet ihr nicht dabei gewesen sein. Dabei stellt Caesar diese Konsequenz als die einzige mögliche dar. Was in einer Rede nicht gesagt wird, existiert nicht. Und den unzufriedenen Legionären fehlt der Weitblick oder auch einfach die Intelligenz, sich aus diesem Entweder-Oder zu befreien und dritte oder vierte Wege zu imaginieren. Oder auch nur eine Güterabwägung aufzumachen. Aber wie ja Unzufriedene oft einfach nur unzufrieden sind, haben auch die meuternden Soldaten keine Ahnung, was sie eigentlich wollen, nur, wovon sie langsam genug haben. Eine konkrete Forderung könnten sie nicht formulieren. -- Zweiter Redetrick: Den Soldaten gegenüber den Gleichgültigen spielen: Geht doch! Das rührt mich gerade so, wie es den Ozean rührt, der von den Flüssen nicht wächst und, sollten alle Quellen versiegen, nicht schrumpfen würde, ich brauche euch nicht, mir doch egal, macht, was ihr wollt. Ein starker Bluff, denn Caesar weiß (vgl. V 254 scit non esse ducis strictos sed militis enses "Er weiß, daß es nicht die gezückten Schwerter des Anführers sind, sondern der Soldaten) genauso gut wie die Legionäre, daß beide, Feldherr wie Soldaten, aufeinander angewiesen sind, nicht zuletzt durch die gemeinsame Schuld, die sie am Bürgerkrieg tragen.

V 335f:

Caesaris an cursus uestrae sentire putatis
damnum posse fugae? ...

Wenn es einen Preis für das verschwurbelste Hyperbaton gäbe, diese anderthalb Verse wären ein guter Kandidat. In normaler Stellung, also, wo alles, was zusammengehört, auch zusammensteht, lauten sie so:

An Caesaris cursus damnum vestrae fugae sentire posse putatis? "Oder glaubt ihr, daß Caesars Marsch durch eure Flucht einen Schaden spüren könnte?"


Bei der nächsten Internetbestellung mal daran denken: Diocletian erließ ein Edikt, demzufolge sich der Preis für eine Wagenladung Getreide alle fünfzig Meilen verdoppelte. Und aus historischer Quellen kann man errechnen, daß eine Wagenladung Feuerholz nicht über eine Entfernung von mehr als fünfzehn Kilometer gewinnbringend verkauft werden konnte. Nimmt man den Wasserweg aus, waren Transportkosten über Land bis in die jüngste Vergangenheit so groß, daß man besser nichts transportierte, jedenfalls nichts Schwerers oder Sperriges. (Scott 2017:54)

(James C. Scott 2017. Against the Grain. A Deep History of the Earliest States. New Haven & London: Yale UP.)