Donnerstag, 9. September 2021

Weiter im Lucan

Noch einmal Scaeva

Lucan hat Scaeva nicht erfunden, da der Mann bei Caesar erwähnt wird; aber er hat ihm eine Geschichte gegeben, ein (tragisches) Gesicht. Für Lucan besteht die Tragik darin, daß dieses Opfer auf der falschen Seite gebracht wurde, auf der Seite derer, die für Lucan Usurpatoren legitimierter Macht und Zerstörer der diese Macht legitimierenden Ordnung sind. Was hätte dieser Mann im Lager des Pompeius nicht für die Sache der Republik leisten können! So aber hat er, indem er den Ausfall des Pompeius verhinderte, langfristig einem Tyrannen zum Thron verholfen. Sein Opfertod ist nicht nur sinnlos, sondern moralisch falsch.

Und noch etwas: Der Name Scaeva muß Lucan als Steilvorlage gedient haben. Der Dichter kann sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen. Auf schmerzliche Art ruft der verwandte Klang Scaeva-Scaevola in Erinnerung, wie in der Anfangszeit Roms die Bürgersoldaten der Stadt geschlossen einem gemeinsamen Feind entgegenzogen. Jetzt kämpfen sie von einer Art Verblendung getrieben, gegeneinander, und ein gemeinsames Rom scheint es gar nicht mehr zu geben, nur noch einzelne Feldherren, denen man hinterherläuft, solange sie gut genug zahlen. Auch den Feldherren geht es nicht um Rom (oder ihre persönliche Vision von Rom), sondern um die eigene Stellung, die eigene dignitas und auctoritas. Die Zeiten, da ein Scaevola seine rechte Hand für das Gemeinwohl opferte, sind vorbei, auf einen wie Scaevola wartet Pompeius vergebens, jetzt rettet nicht, jetzt verhindert ein Scaeva, und sei der noch so tapfer, mit seiner Wahnsinnstat die Rettung der Republik.





Mittwoch, 8. September 2021

Weiter im Lucan

Hunger

Beide Seiten, Caesar wie der eingeschlossene Pompeius, verleben nicht gerade supergute Tage. Krankheit bei den Belagerten, Hunger bei den Belagerern: Caesar scheint vom Nachschub abgeschnitten, das Korn ist noch nicht reif, die Soldaten darben. Wie schon beim großen Durst von Ilerda verwendet Lucan einige Sorgfalt auf die Beschreibung des Hungers: die Männer fallen über Viehfutter her, riskieren Vergiftungen, indem sie unbekannte Pflanzen kosten, pflücken Blätter von den Sträuchern und zwingen die kaum den Namen verdienende Speise durch wunde Kehlen hinunter.

Aristie des Scaeva (VI 140--250

Und eine Aristie lateinischer Syntax zugleich:

quem non mille simul turmis nec Caesare toto
auferret Fortuna locum uictoribus unus
eripuit uetuitque capi, seque arma tenente
ac nondum strato Magnum uicisse negauit.

"Die Stellung, die Fortuna nicht mit tausend Geschwadern und dem ganzen Heer Caesars nicht wegnehmen würde, entriß ein einzelner Soldat den Siegern und verhinderte die Einnahme und behauptete, solange er Waffen in der Hand halte und noch nicht niedergestreckt sei, solange habe Magnus nicht gesiegt." (140--143)

(Man würde in einer deutschen Textausgabe wohl nach locum zur Abtrennung des vorangestellten Relativsatzes ein Komma setzen. Vorangestellte Relativsätze sind im deutschen höchst ungewöhnlich, in lateinischer Poesie -- weniger in der Prosa -- aber recht gebräuchlich. Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los ist ein Beispiel im Deutschen. Im vorliegenden Textbeispiel: quem ... noch auferret Fortuna locum, [eum] victoribus eripuit "Den Fortuna nicht fornehmen würde, den Ort, [den] entriß er den Siegern" -- Das ist aber noch nichts gegen die wirklich vertrackten Stellen im Lucan, wir kommen noch dazu.)

Der Name Scaeva (ein sprechendes Cognomen, scaevus bedeutet "links") läßt aufhorchen. War da nicht schon einmal was mit einem Linkshänder? Scaevola hieß der Mann, ein Held der Frühzeit Roms. Seinen Namen trägt er seit dem Verlust seiner rechten Hand, die er als Gefangener im Lager des Lars Porsenna, eines Feindes der jungen Republik, in ein Kohlebecken hält, bis sie verbrannt ist: "Wir haben hunderte solch unerschrockener Männer", erklärt er kaltblütig dem feindlichen König. -- Nun ist der Name Scaeva zwar bei Caesar belegt. Aber nichts hindert den Dichter daran, auch hier eine Ätiologie einzuführen: Diesmal besteht die Unerschrockenheit darin, daß der Held seinen Schild wegwirft, um auch mit der linken Hand kämpfen zu können. Es soll nicht heißen, er habe schuldhaft sein Leben gerettet, weil er sich mit der Linken, dem Schildarm, geschützt habe anstatt auch mit dieser Hand zu töten.

Schutzlos und allein gegen ein ganzes Heer antretend, ist Scaeva bald von Pfeilen gespickt, so dicht, daß weitere Pfeile nicht mehr durchdringen.

... nec quicquam nudis uitalibus obstat
iam praeter stantis in summis ossibus hastas.

"Schon hält nichts mehr von den ungeschützten Organen ab außer den Speeren, die schon in den äußeren Knochen stecken." (194f)

Ein Geschoß bleibt in Scaevas Auge hängen -- er reißt Pfeil mitsamt dem Auge heraus und trampelt zornig darauf herum. Die ganze Schilderung kippt ins unfreiwillig Komische; wie Scaeva einfach nicht unterzukriegen ist, hat etwas Ritter-der-Kokosnuß-Haftes: "Das ist nur ein Kratzer, schlag zu, du Feigling!" Andererseits aber erleben wir einen verzweifelten Menschen mit suidizaler Tendenz. Die Verbiestertheit, mit der Scaeva die Stellung hält, bis Verstärkung eintrifft, auf jeden Schutz verzichtet, ja, sich selbst gar nicht erlaubt, zu überleben, weil das nach seiner Auffassung eine Schande wäre, ist weniger Todesverachtung als vielmehr Todessehnsucht:

... iam pectora non tegit armis,
ac ueritus credi clipeo laeuaque uacasse
aut culpa uixisse sua tot uolnera belli
solus obit densamque ferens in pectore siluam
iam gradibus fessis, in quem cadat, eligit hostem.

"Schon birgt er die Brust nicht mehr mit dem Schild, und aus Sorge, man könne von ihm glauben, er sei hinterm Schild und mit dem Schildarm untätig gewesen und durch seine eigene Schuld am Leben geblieben, geht er so vielen Wunden allein entgegen und sucht sich, einen dichten Wald [von Speeren] in der Brust tragend, einen der Feinde aus, auf den er, schon mit wackeligen Beinen, fallen kann." (202--206)

Und noch was ganz was anneres

Vor vielen Jahren stritt ich mich mit einer Kommilitonin um die Frage, ob öffentliche Leihbibliotheken auch einen Bildungsauftrag haben (sollten) und daher einen gewissen Kanon anbieten müßten (meine Ansicht), oder ob sie, da aus Steuergeldern finanziert, den Geschmack eben dieser Steuerzahler bedienen müßten (die Ansicht der Kommilitonin; meine eigene: wer Schund will, soll dafür bezahlen). Anlaß zu dem Gespräch war meine Entrüstung darüber, daß die fragliche Stadtbibliothek den vielgelobten Klassiker der Wissenschaftsgeschichte The making of the atomic bomb von Richard Rhodes, nein, nicht nicht im Bestand hatte, sondern das ehemals im Bestand befindliche Exemplar, na ja, aus dem Katalog gestrichen hatte. An dieses Gespräch mußte ich heute früh denken, als ich glucksend vor Vergnügen dieses Zitat las. Hahaha! Trivialität im Endstadium, das freut mein bildungssnobistisches Herz.





Dienstag, 31. August 2021

Lukan beiseite, finde ich bei der ganzen Seuchengeschichte noch ein Detail bei Vergil interessant. Dort spricht der Dichter im Zusammenhang mit erkrankten Tieren davon, daß Opfertiere vor dem Altar zusammenbrechen, noch bevor der Priester den Schnitt hat machen können; daß das Fleisch auf dem Altar nicht brennen will; und daß die Eingeweide unbrauchbar für die Schau sind:

inter cunctantis cecidit moribunda ministros;
aut si quam ferro mactauerat ante sacerdos (488f)

"Zwischen den zögernden Opferdienern sackte das todkranke [Opfertier] in sich zusammen, als hätte es der Priester zuvor geschlachtet"

nec responsa potest consultus reddere uates,
ac uix suppositi tinguntur sanguine cultri (491f)

"Aber der hinzugezogene Seher vermag keine Antwort zu geben, und kaum daß die eingesetzten Opfermesser vom Blut benetzt werden."

Na, das erinnert doch stark an Ovid (Metamorphosen VII 6000f): 596--599

exta quoque aegra notas veri monitusque deorum
perdiderant: tristes penetrant ad viscera morbi.

"Die befallenen Eingeweide besaßen keine Zeichen der Wahrheit mehr und der Mahnungen der Götter: die böse Seuche war bis in die inneren Organe vorgedrungen."

Und, bis einzelne Wörter hinein (suppono/subicio; cado/collabor; cultrum; tingo):

ipse ego sacra Iovi pro me patriaque tribusque
cum facerem natis, mugitus victima diros
edidit et subito conlapsa sine ictibus ullis
exiguo tinxit subiectos sanguine cultros.

"Ich selbst wollte Jupiter um meinetwillen, um der Heimat, des Stamms, der Kinder willen opfern: da stieß das Opfertier ein schreckliches Brüllen aus, brach plötzlich und ohne jeden Schlag zusammen, und nur spärlich netzte das Blut die daruntergehaltenen Messer."

Und weiter, zwar nicht mit wörtlichen, aber doch überzufälliigen Parallelen:

Vergil (Georg. III 498f):

labitur infelix studiorum atque immemor herbae
uictor equus ...

"Das Pferd, der siegreiche Renner, denkt weder an seinen früheren Eifer noch an die süßen Gräser ..."

Ovid: (Met. XII 542ff)

acer equus quondam magnaeque in pulvere famae
degenerat palmas veterumque oblitus honorum
ad praesepe gemit leto moriturus inerti.

"Das schnelle Pferd schmälert den großen Ruhm und die Siegespalme, vergißt seine alten Erfolge und stöhnt, zum Sterben bereit, am Gatter."

Es gibt aber noch weitere Verbindungen. In der westlichen Welt dürfte Thukydides' Schilderung der Pest von Athen während des Peloponnesischen Krieges eine der ersten um Exaktheit bemühten Beschreibungen einer Epidemie und ihrer Folgen darstellen. Der Autor gilt als Begründer der wissenschaftlichen, quellenbasierten um Objektivität bemühten Geschichtsschreibung und steht weder im Ruf zu übertreiben noch, mit den Fakten zugunsten literarischer Topoi, na, sagen wir, kreativen Umgang zu pflegen. Auf seine Angaben sollten wir uns also verlassen können. Nach seiner eigenen Aussage:

καὶ ἐς μὲν ἀκρόασιν ἴσως τὸ μὴ μυθῶδες αὐτῶν ἀτερπέστερον φανεῖται: ὅσοι δὲ βουλήσονται τῶν τε γενομένων τὸ σαφὲς σκοπεῖν καὶ τῶν μελλόντων ποτὲ αὖθις κατὰ τὸ ἀνθρώπινον τοιούτων καὶ παραπλησίων ἔσεσθαι, ὠφέλιμα κρίνειν αὐτὰ ἀρκούντως ἕξει. κτῆμά τε ἐς αἰεὶ μᾶλλον ἢ ἀγώνισμα ἐς τὸ παραχρῆμα ἀκούειν ξύγκειται.

"Und für die Zuhörer wird die wenig ausgeschmückte Darstellung eher weniger ein Lesegenuß sein: Wenn aber die, die das Geschehene und die nach menschlichem Maß gleiche oder sehr ähnliche Zukunft klar erkennen wollen -- wenn die meine Arbeit für nützlich halten, dann mag es genug sein. Dieses Werk ist als dauerhafter Gewinn gedacht gewesen, nicht als Kunststückchen, das nur als Unterhaltung für den Moment dient."

Thukydides, der nach eigenen Angaben selbst erkrankte (2,48), schildert in seinem Geschichtswerk (Peloponnesischer Krieg, 2,47--54) eine Seuche, die in den Jahren 430--426 v. Chr., während des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta in Athen grassierte. Obwohl der Autor es in seiner Schilderung der Krankheitszeichen und des Krankheitsverlaufs an Genauigkeit nicht fehlen läßt, ist es bislang nicht gelungen, die geschilderten Symptome irgendeiner der modernen Medizin bekannten Krankheit zuzuordnen. Vermutungen reichen von Ebola bis Salmonellose; überzeugen kann keiner dieser Vorschläge. Die Symptome sind laut Thukyides wie folgt: Die Krankheit beginnt mit Hitzegefühl im Kopf (Fieber?), es folgen gerötete, entzündete Augen; blutende Entzündung der Rachen- und Zungenschleimhaut; Mundgeruch; auf diese Anfangssymptome folgen Niesen, Heiserkeit, Schmerzen in der Brust, Husten; geht die Krankheit auf den Magen über, folgt Erbrechen und sehr schlechtes Allgemeinbefinden; oft unproduktiver Würgreiz, Bauchkrämpfe; äußerlich kein Fieber (?), rote oder gelbliche Verfärbung der Haut, Pusteln oder kleine Geschwüre; Gefühl von Hautbrennen, Aversion gegen Berührung, Kleidung oder Decken werden als unerträglich empfunden; Bedürfnis nach Kühle, die viele in Brunnen springen läßt; unerträglicher, unstillbarer Durst; Unruhe, Schlaflosigkeit; wo der Tod nicht nach sieben oder acht Tagen eintritt, breitet sich die Krankheit weiter nach unten aus und führt zu Geschwüren und heftigem Duchfall, in der Folge zu einer Schwächung des Organismus, die meistens tödlich ist. Die Krankheit beginnt am Kopf und wandert im Körper nach unten; wo sie nicht tödlich verläuft hinterläßt sie Spuren an den Extremitäten, den Fingern, Zehen oder Geschlechtsorganen oder sogar den Augen; manche überleben nur unter Verlust eins oder mehrerer dieser Körperteile; wieder andere erleiden eine totale Amnesie bei Gesundung und wissen nicht mehr, wer sie sind.

Nun, wäre Thukydides nicht Thukydides, würden wir sagen, was hat der denn geraucht. Die Zusammenstellung scheint ein bißchen zu illuster, um als Beschreibung eines echten Krankheitsbildes zu taugen. Aber das mal beiseite, darüber sollen, um es mit den Worten des Historikers selbst zu sagen, "andere Autoren, seien es Laien oder Experten, sich den Kopf zerbrechen". Tatsächlich gibt Thukydides selbst zu, daß die "Art dieser Krankheit jeder Beschreibung spottet" (κρεῖσσον λόγου, 2,50,1).

Ich möchte Thukydides noch ein bißchen folgen und weitere Beobachtungen im Umfeld der Krankheit aufzählen. Da ist zum einen zu nennen, daß Aasfresser die Seuchentoten entweder meiden oder nach dem Genuß derselben zugrunde gehen. Eine Ursache ist nicht auszumachen, eine Behandlung, die überall anschlüge, gibt es nicht, was dem einen hilft, verschlimmert den Zustand eines anderen. Die körperliche Konstitution scheint unerheblich, schwache wie kräftige Naturen erkranken und sterben. Ärztliche Zuwendung und Pflege durch Nahestehende verbreiten die Seuche am schnellsten. Wer nicht an der Krankheit stirbt, stirbt möglicherweise an Vernachlässigung, weil sich niemand mehr traut, Umgang mit Erkrankten zu pflegen. Einzig Genesene kümmern sich und geben den Kranken Hoffnung, denn wer die Krankheit einmal hatte, ist entweder immun oder entwickelt nur schwache Symptome. Flüchtlingsströme in die Stadt aufgrund des Krieges verschlimmern die Situation: bald liegen Leichen übereinandergestapelt herum und halbtote Kranke schleppen sich durch die Straßen, um zu den Brunnen zu gelangen. Auch die Tempel füllen sich mit den Leichen derer, die dort Unterkunft gesucht haben. Man kommt nicht mehr nach mit den Beerdigungen, die Rituale werden vernachlässigt, es kommt zu unschönen Szenen: manche werfen ihren Toten auf den Scheiterhaufen eines Fremden und kommen dessen Angehörigen zuvor, indem sie ihn in Brand setzen; andere werfen ihren Toten zu einem schon brennenden dazu.

Soweit Thukydides. Auch wenn man dem Historiker nicht vorwerfen mag, daß er bei seinen Schilderungen Rückgriff auf Topoi genommen habe, so könnte doch er selbst die Grundlagen für Topoi bei späteren Autoren gelegt haben?

Zum Beispiel bei Ovid. Liest man dessen Schilderung der Pest auf Ägina im siebten Buch der Metamorphosen, kann man nicht umhin anzuerkennen, daß Ovid seinen Thukydides im Kopf gehabt habe. Die Parallelen sind dabei so zahlreich und so spezifisch, daß ich nicht glauben kann, daß sie einfach der ähnlichen Natur solcher Ereignisse geschuldet seien. Daß an einer Seuche verendete Tierkadaver von Aasfressersn in Ruhe gelassen werden, mag noch als allgemeine Beobachtung durchgehen (Met XII 549f):

mira loquar: non illa canes avidaeque volucres,
non cani tetigere lupi;

"Ich werde jetzt wundersame Dinge berichten: Hunde, gierige Geier, ja die grauen Wölfe rühren [die Kadaver] nicht an"

Doch schon die Symptome stimmen in Details überein, die vielleicht nicht unbedingt zur "typischen" Seuchenausstattung gehören (XII 554--557):

viscera torrentur primo, flammaeque latentis
indicium rubor est et ductus anhelitus; igni
lingua tumet, tepidisque arentia ventis
ora patent, auraeque graves captantur hiatu.

"Zuerst brennen die Eingeweide, Röte ist das Zeichen der verborgenen Flamme und schwerer Atem; vom Feuer schwillt die rauhe Zunge, der vom heißen Atem trockene Mund steht offen, so schnappen sie nach der verpesteten Luft."

Sogar die Thukydideische Beobachtung der Überempfindlichkeit der Haut taucht wieder auf (558f):

non stratum, non ulla pati velamina possunt,
nuda sed in terra ponunt praecordia

"Sie ertragen keine Matratze, keine Decke, sondern drücken ihre Brust nackt auf die Erde."

Daß die Ärzte sich am schnellsten anstecken und ihnen ihre Kunst zum Verhängnis wird, dürfte auch vor und nach Thukydides beobachtet worden sein und zur Grundausstattung gehören. Aber das Folgende ließ schon bei Thukydides als mögliche Übertreibung aufhorchen:

... passim positoque pudore
fontibus et fluviis puteisque capacibus haerent,
nec sitis est exstincta prius quam vita bibendo.

"Überall sitzen sie ohne jede Scham in Quellen, Flüssen und Brunnen, aber sie löschen durch das viele Trinken den Durst nicht mehr, bevor sie sterben."

Und das hier ist schon fast abgeschrieben:

... partim
semianimes errare viis, dum stare valebant,
adspiceres, ...

"Teils sieht man sie mehr tot als lebendig durch die Straßen irren, solange sie noch auf zwei Beinen stehen können."

Und sind die fremdgenutzten Scheiterhaufen bei Thukydides nicht eine Steilvorlage für den morbiden Humor eines Ovid? In der Tat, das sind sie (606--610):

corpora missa neci nullis de more feruntur
funeribus (neque enim capiebant funera portae):
aut inhumata premunt terras aut dantur in altos
indotata rogos; et iam reverentia nulla est,
deque rogis pugnant alienisque ignibus ardent.

"Die Leichen werden nach keinem ordentlichen Ritus mehr bestattet (die Stadttore hätten so viele Leichenzügen gar nicht zu faassen vermocht): Entweder sie liegen auf der Erde herum oder man wirft sie umstandslos auf den Scheiterhaufen. Ehrerbietung gibt es keine mehr, man streitet sich um die Haufen und brennt auf fremden Feuern."

Möglich bleibt natürlich, daß es Texte zwischen Thukydides und Ovid gibt, die allmählich als Tradition das begründen und verfestigen, was dann bei Ovid (und Vergil) als Topos benutzt wird. Da müßte man mal ein bißchen weitergraben.





Dienstag, 24. August 2021

Weiter im Lucan

In Pompeius' Lager wird das Pferdefutter knapp, den Tieren fehlt es an frischem Gras, sie werden krank und sterben. Eine Seuche breitet sich aus. Wie bei Lucan zu erwarten, gerät die Beschreibung der Symptome zu einer Orgie aus Fäulnis und Eiter. Der knappe Kommentar in meiner Reclam-Ausgabe vergleicht die Stelle mit Vergil, Georgica 464ff und weist darauf hin, die dortige Schilderung einer Milzbrandepidemie in Noricum sei "klinisch exakt". Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) gibt an, Milzbrand sei "am lebenden Tier selten mit Sicherheit festzustellen" und listet als Symptome auf:

"Beim Rind und Schaf treten meist plötzliche Todesfälle auf. Aus den Körperöffnungen (Anus, Vulva, Mund, Nase) tritt dunkles, schlecht gerinnendes Blut. Erst bei der Zerlegung ist ein Verdacht auf Milzbrand festzustellen. Wenn weitere Tiere mit hohem Fieber, unregelmäßigem Puls, beschleunigter Atmung und evtl. Kolikerscheinungen erkranken, liegt der Verdacht auf Milzbrand nahe. Tierärztliche Behandlung ist nur dann erfolgversprechend, wenn sie frühzeitig einsetzen kann. Beim Pferd: plötzlich hochfieberhafte Erkrankung mit Kolik, Schling- und Atembeschwerden, Atemnot wegen Schwellung im Kehlgangsbereich, auch scheinbare Besserung und Tod nach mehreren Tagen. Beim Schwein können Krankheitserscheinungen am lebenden Tier fehlen, in vereinzelten Fällen sind Atembeschwerden infolge Rechenentzündung sowie Verfärbung und Schwellung im Bereich des Kehlkopfes (Milzbrandbräune) zu beobachten.

Was sagt nun Vergil dazu? Anfangssymptome sind seltsames Verhalten beim Pferd (464--467), dann Durst, Fieber, später Knochenfäule:

... sed ubi ignea uenis
omnibus acta sitis miseros adduxerat artus,
rursus abundabat fluidus liquor omniaque in se
ossa minutatim morbo conlapsa trahebat

"Doch sobald das trockene, feurige Fieber, durch alle Adern getrieben, die erbarmungswürdigen Glieder zusammengezogen hatte, trat hernach reichlich Fäulnis auf und zerstörte die von der Krankheit in sich zusammengefallenen Knochen."

Mh, von aufgeweichten Knochen ist beim BgVV nicht die Rede. Weitere Symptome bei Vergil: zahme Hunde werden tollwütig (496) -- tatsächlich sind Hunde und Katzen wenig anfällig für Milzbrand; keuchender Husten und Atembeschwerden durch verengten Schlund beim Wildschwein (496f); Nahrungsverweigerung und häufiges Aufstampfen beim Pferd, ferner herabhängende Ohren, unregelmäßiges Schwitzen, beim todkranken Tier eiskalter Schweiß (498--501); die Haut wird trocken und spannt sich (501f). Verschlimmert sich der Zustand, tritt ein heller Glanz in den Augen auf, dazu schwerer Atem, Stöhnen, Röcheln, bei dem sich die ganze Flanke anspannt, Blutungen aus der Nase, geschwollene, weiß belegte Zunge (505--508); der Stier bricht mitten auf dem Acker zusammen, spuckt Blut und tut seinen letzten Seufzer (515--517). Hätte Vergil bei der Beschreibung der Seuche in Noricum konkret Milzbrand im Sinn gehabt, dann hätte er Wölfe, Seehunde, Fische, Reptilien und Vögel jedenfalls verschonen müssen (537--547, Milzbrand kommt überwiegend bei Huf- und Klauentieren, nur gelgentlich bei Raubtieren vor; Vögel, mit Ausnahme des Straußes, sind so gut wie rsistent). Wahrscheinlich hat er aber weder Milzbrand im Sinn gehabt (oder eben dasjenige Bündel an Symptomen, von dem wir heute wissen, das es durch Bacillus anthracis verursacht wird), zumal das typischste Zeichen, die schwärzlich verfärbte ("verkohlte", daher der Name) Milz der verendeten Tiere in der Liste fehlt, noch irgendeine andere konkrete Erkrankung: die Schilderungen sind hier wie auch in anderen Texten eine Aufzählung von Stereotypa, deren Ensemble kein identifizierbares Krankheitsbild ergibt, sondern das Bild einer idealtypischen Seuche darstellt.





Mittwoch, 18. August 2021

Weiter im Lucan

Eine sprachliche Auffälligkeit hat VI 77: descendit ... si nusquam torqueat amnem "Wie [der Tiber] von Rom zum Meer hinabsteigt/-stiege, würde er nirgends seinen Lauf krümmen." Diese Syntax, die in der Apodosis gegen die lateinische Schulgrammatik ein Vergangenheitstempus im Indikativ hat und den Konjunktiv nur in der Protasis, kommt gar nicht so selten vor. Mir fallen auf Anhieb zwei Stellen im Livius ein und eine oder mehrere im Ovid. Muß die mal bei Gelegenheit heraussuchen. (Ob das griechischer Einfluß ist? Aber da gibt es im irrealen Bedingungsgefüge eigentlich gar keinen Konjunktiv, nur Imperfekt Indikativ und Aorist Indikativ mit ἄν.)

Caesar und Pompeius lagern also in Rufweite voneinander. Caesar versucht, seinen Gegner zu provozieren, aber der hält still. Schließlich reißt Caesar der Geduldsfaden, er beschließt, Dyrrhachium (heute die Küstenstadt Durrës) einzunehmen. Pompeius kommt ihm aber zuvor, errichtet auf einer Anhöhe sein Feldlager und organisiert die Verteidigung der Stadt. Da Dyrrhachium auf einem Felssporn liegt, den nur eine schmale Landbrücke mit dem Festland verbindet, ist die Stadt schwer einzunehmen. Aber Caesar wäre nicht Caesar (und hätte niemals Gallien erobert), wenn ihm dazu nichts einfiele: er läßt einen Wall um die ganze Gegend legen und kesselt Pompeius ein. Caesar ist nicht bekannt dafür, zu kleckern: laut eigenen Angaben war der Wall, dem Gelände folgend und mit Wachttürmen ausgestattet, fünfundzwanzig Kilometer lang. Wir brauchen die lucanische Übertreibung nicht, die Länge des Walls sei nicht an einem Tag abzureiten gewesen, um das beeindruckend zu finden.

Die Erzählerfigur ist allerdings mehr von der immensen Verschwendung an Material und Arbeitskraft beeindruckt: Was hätte mit dem gleichen Aufwand nicht Nützliches geschaffen werden können! Caesar hätte den Bosporus zuschütten oder die korinthische Landbrücke zur Peloponnes durchschneiden können, wenn es nicht vorgezogen hätte, sein Organisations- und Führungstalent für Kriegsspielchen zu vergeuden. Die beiden Vergleiche sind interessant: der eine evoziert sogleich die tragische Geschichte von Hero und Leander, die eine verbotene Liebe verbindet. Hero lebt am westlichen Ufer in Sestos, Leander auf der anderen Seite in Abydos. Da sie sich nur heimlich treffen können, schwimmt Leander Nacht für Nacht über die Meerenge, wobei ihm ein von Hero unterhaltenes Licht im Turm den Weg weist. Eines Nachts aber löscht der Sturm das Licht, Leander verirrt sich und ertrinkt. Als Hero anderntags seine Leiche am Ufer findet, stürzt sie sich vom Turm in den Tod. Da bei Lucan beide Orte genannt werden, ist das geradeso, als hätte er Hero und Leander namentlich erwähnt. Und dann war ja noch Helle mit dem Bruder Phrixos auf der Flucht vor ihrer Stiefmutter Ino in die Meerenge gestürzt. So gesehen ist es also ein Desideratum, wenn die blöde Wasserstraße endlich durch einen sicheren Damm überbrückt wäre.

Schön ist auch der zweite Vergleich: der Durchstich durch die Landbrücke von Korinth. Kein Geringerer als Kaiser Nero, amtierender Princeps zur Zeit Lucans und für dessen frühen Tod verantwortlich, soll ja 67 einen solchen Kanal angeordnet (Flavus Iosephus, Geschichte des jüdischen Krieges 3,10,10) und auch den ersten Spatenstich getan haben (Sueton, Nero 19). Wenn Lucan jetzt behauptet, Caesar hätte das gekonnt, wenn er nur gewollt hätte, dann kann man darin durchaus eine politische Spitze gegen Nero lesen, zumal auch Nero wie alle Principes seine Alleinstellung an der Spitze in langer Linie Caesars, na ja, Putsch verdankt. Zu sagen, hätte Caesar mal lieber den Kanal gebaut, bedeutet in diesem Licht betrachtet ja auch, dann hätten wir jetzt einen hübschen Kanal anstelle eines häßlichen Prinzipats.

Tatsächlich hat Caesar einen Kanal durch den Isthmus von Korinth (viele th auf einmal) gebaut. Na ja, geplant zu bauen. Bauen wollen. (Sueton, Caesar 44; Plutarch, Caesar 58,4) Über das Planungsstadium scheint das nicht hinausgekommen zu sein.

Um noch ein bißchen weiter zu spekulieren: Der Vergleich mit dem Verweis auf die Mythologie bedeutet ja auch, daß, hätte es damals schon einen Caesar gegeben, Helle mit Phrixus trockenen Fußes fliehen und Leander seine Schuhe anbehalten hätte können, wenn er Hero besuchen wollte. Der Mythos kennt -- für Menschen zumindest -- die Grenzen der Natur, und selbst die Götter haben keineswegs Allmacht, sondern müssen mit dem Material arbeiten, das halt vorhanden ist, Regen, Wind, Erde, Blitze. Mit Ingenieursleistungen, wie sie Lucan einem Caesar zuzutrauen geneigt ist, wird die Natur bezwungen, wird auch die Welt des Mythos überwunden, schwingt sich der Mensch selbst zu den Göttern empor. Was ist schon ein fliegender Widder gegen die Trockenlegung der Dardanellen? Solche Leistungen bedeuten aber auch eine entzauberte, eine mechanisch beherrschbare Welt. Einer solchen Welt werden keine Geschichten mehr wie die von Helle oder Hero und Leander entstammen. Am Ende ist aber auch Lucans eigenes Werk von ganz anderer Art als es noch die Aeneis war, findet sich doch darin vom Walten der Götter keine Spur mehr, ist die Natur Natur, müssen die Helden mit menschlichem Einfallsreichtum, mit menschlicher Technologie auskommen. Im Zusammenhang mit Caesars Erdwerk ist ganz explizit von Naturbeherrschung die Rede. tot potuere manus ..., heißt es VI 55--60, "so viele Hände hätten ... jeden beliebigen Ort der Welt, auch wenn sich die Natur dagegengestellt hätte, in einen besseren verwandeln können." Daß die Menschen mit irdischer Technologie so viel Erstaunliches erreichen, ist umso tragischer, als sie es mit den falschen Zielen tun. Der menschliche Genius überwand zwar den Mythos, aber er überwand nicht den Menschen.

Ein bißchen Opernkritik

"Einer der Höhepunkte der vierstündigen Materialschlacht von zweifelhaften Gags, ist der Auftritt von Don Ottavio (Michael Spyres), wenn er Dalla sua pace singt. In seltsamer Verkleidung, als norwegischer Polarforscher, mit einem Pudel an der Leine. Muss ich noch den überdimensionalen Photokopierer erwähnen, den Leporello braucht, um die Registerarie zu singen? Oder die kleine Ratte, die irgendwann auf die Bühne scheißt? Sie brauchen jetzt die Wiener Tierschutzbund nicht anzurufen, es ist eine handzahme Ratte, und sie hat eine Tierpflegerin hinter der Bühne. Die Ziege auch."

Den ganzen köstlichen Verriß gibt es hier.





Montag, 16. August 2021

Weiter im Lucan

Die Versuchung ist groß, die Abschiedsszene zwischen Pompeius und Corinna Metella mit einer anderen, mit der Abschiedsszene der antiken Dichtung zu vergleichen, ich meine natürlich die Abreise des Aeneas aus Libyen und seine Trennung von Dido. Die Versuchung ist deshalb groß, weil erstens Vergil mit seinem Stand als "Nationaldichter" der Römer einen ungeheuren Einfluß auf spätere Autoren hatte. An Vergil kommt einfach niemand vorbei. So lassen sich denn auch bis in einzelne sprachliche Wendungen hinein Anklänge an und Parallelen mit Passagen aus Vergil auch sonst im Lucan ausfindig machen. Die Aeneis hat aber nicht nur ganz allgemein kraft ihrer immensen Wirkung als Nationalepos sondern auch ganz konkret einen inhaltlichen Bezug zum Bürgerkrieg, da die Zukunft Roms -- die eigene Gegenwart des Dichters, der in den Turbulenzen der römischen Bürgerkriege aufwuchs -- dem Helden der Aeneis geweissagt, und darin auch das Prinzipat des Augustus als End- und Zielpunkt der römischen Geschichte wie sie im brennendesn Troja begann und mit der Zeit nach der Schlacht bei Actium -- sozusagen als "Ende der Geschichte" -- zur Erfüllung gelangte, verkündet wird. Und ohne den Krieg zwischen Caesar und Pompeius hätte es ja niemals einen Octavian geben können.

Um mit den Gemeinsamkeiten anzufangen: In beiden Szenen geht es um einen Abschied zwischen Mann und Frau, die eine Liebe verbindet; in beiden Szenen wird der Abschied vom Mann initiiert und gegen den Willen der Frau vollzogen; in beiden bleibt der Frau nur, sich zu fügen; in beiden Szenen ist völlig klar, daß die Entscheidung des Mannes unumstößlich ist.

Größer sind die Unterschiede: Aeneas ist blinder Befehlsempfänger der Götter, Pompeius will das Beste für seine Gattin; die Abreise von Karthago ist ein Bruch mit Dido für immer, Pompeius hofft, seine Frau günstigenfalls als Sieger, oder doch zumindest als Flüchtling wieder in die Arme schließen zu können; Dido gibt sich den Tod, Cornelia wird nicht nur diesen Abschied sondern Schlimmeres ertragen; Pompeius eröffnet Cornelia seinen Entschluß von sich aus, Aeneas muß erst von Dido zur Rede gestellt werden; die Liebe zwischen Aeneas und Dido scheitert, die zwischen Pompeius erfährt eine harte Prüfung; letztendlich darf die Beziehung zwischen Pompeius und Cornelia als gelingend aufgefaßt werden, während die zwischen Dido und Aeneas -- nicht nur, weil letzterem gar nichts anderes bleibt, als dem Ruf der Götter zu folgen -- scheitert, ausweislich der Art, wie Aeneas in der Abschiedsszene mit Dido umspringt ("ich habe dir nie die Ehe versprochen." "Laß mich mit deinem Gejammer zufrieden."). Man fragt sich, wie Pompeius an Aeneas' Stelle gesprochen hätte, sicher ganz anders, wenn man sein Verhalten gegenüber Cornelia zum Maßstab nimmt. Im übrigen ist auch dem Dichter der Aeneis sein eigener Titelheld hier nicht ganz geheuer; denn als Aeneas bei seinem Abstieg in die Unterwelt Didos Schatten begegnet und sie um Verständnis bittet, verweigert sie ihm das Wort und den Blick und wendet sich ab.

Nun möchte man ja einen Bezug nicht allein aufgrund eines einzelnen Wortes herstellen; da es mir aber ins Auge stach und wir hier ja unter uns sind, mache ich es trotzdem. Das Wort ist querela "Klage". In der Aeneis (IV 360) steht es am Ende der Rede des Aeneas, mit der er sich gegen Didos Vorwürfe verteidigt: desine meque tuis incendere teque querelis "Hör auf, mich und dich mit deinen Klagen noch aufzuregen." Bei Lucan verwendet dasselbe Wort die Erzählstimme (V 761): Tandem vox maestas potuit proferre querellas "Endlich vermochte ihre Stimme, die traurige Klage vorzubringen." Man ist, wie gesagt, versucht zu ergänzen: die an dieser Stelle fällige (von Dido bekannte) Klage vorzubringen; Cornelias Version derselben Klage; das, was Cornelia an dieser Stelle kraft der ihr zugeschobenen Rolle sagen muß, ihre Dido-Klage. Der Anklang wird noch dadurch verstärkt, daß das fragliche Wort bei Lucan an der gleichen Stelle im Vers vorkommt wie bei der Vergleichsstelle im Vergil.

Tja, vielleicht ist das aber auch reiner Zufall und der Anklang unbeabsichtigt. Denn erstens ist querēla/querella (das Wort kommt in zwei bedeutungsgleichen Varianten vor) kein seltenes Wort (nach Logeion ist es das 1956.-häufigste Wort), zweitens kommt es in der Aeneis außer der in Rede stehenden Stelle (IV 360) noch zweimal (nämlich VIII 215; X 94) vor, drittens kommt es bei Lucan außer der in Rede stehenden Stelle noch siebenmal (nämlich II 44, 63; V 681; VII 555, 630; VIII 87, 512, und damit gleich 80 Verse vor der Abschiedsszene in einem ganz anderen Zusammenhang: die Beschwerde der Soldaten, die Caesar Leichtsinnigkeit vorwerfen) vor, und viertens steht die jeweilige Wortform ausnahmslos bei Vergil wie bei Lucan an der gleichen Stelle im Vers. Mit welchem Recht also behauptet man, Lucan lasse ausgerechnet in der Abschiedsszene Vergil anklingen, in den anderen Belegstellen von querela aber nicht? Ehrlicherweise müßte man dann auch nachweisen, daß und warum die anderen Stellen keine Anspielung sind. Doch letzten Endes läßt sich Zufall oder Absichtslosigkeit niemals nachweisen; umgekehrt kann man einen Verweis noch aus den beliebigsten Textstellen herbeikonstruieren.





Mittwoch, 11. August 2021

Weiter im Lucan

Wie schwierig Lucan manchmal ist, mag man aus dem Vergleich unterschiedlicher Übersetzungen ersehen. Für die Übersetzung von Lucan gilt besonders, was für die Übersetzung insgesamt gilt, nämlich daß jede Übersetzung immer auch eine Deutung, eine Interpretation ist.

Ich nehme als Beispiel V 746f:

properante ruina / summa cadunt.

ruina von ruo "stürze" ist der Sturz. properare "eilen, schnell machen", hier entweder als Part. Präs in einer Absolutkonstruktion, "sich beeilenden Sturzes" oder modal "mit einem schnellen Sturz", "schnell stürzend". summa, n. pl., "die höchsten Dinge", "was am höchtsten aufragt". Also heißt das ganze wörtlich etwa: "die höchsten Dinge fallen mit schnellem Sturz".

A. S. Kline Übersetzt das so: "the greatest ruin comes swiftly" Ruin ist nun wirklich mehr als nur ein Sturz; und wo sind die hohen Dinge abgeblieben? Der Sinn sollte ja wohl sein, daß, was am höchsten ist, auch am schnellsten wieder runterkommt.

Edward Ridley: "things highest fall / With speediest ruin." Noch einmal ruinöse Dinge, wo nur von einem Sturz die Rede war (ruo im Lateinischen kann von Flüssen und Erdrutschen ebenso gesagt werden wie von einstürzenden Gebäuden; aber auch für Krieger, die sich auf einen Gegner, oder für Raubtiere, die sich auf ein Opfer stürzen, kann es gebraucht werden; derartige Assoziationen gehen bei engl. ruin verloren.

Hören wir zuletzt Georg Luck in der zweisprachigen Reclam-Ausgabe. Der zieht die zwei Halbverse mit dem Satz den Satz davor, praecipites aderunt casus in der Übersetzung zusammen und macht daraus: "Die Ereignisse werden sich überstürzen, und wenn die Katastrophe da ist, fällt das Oberste zuerst" Das wird dem Sinn des Originals sehr gut gerecht, ist aber so frei, daß es mehr eine Paraphrase denn eine Übersetzung ist.


Damit bin ich mit Buch V durch. Eine Szenenübersicht:

  • Lentulus Rede vor dem Exilsenat
  • Appius befragt das Orakel in Delphi
  • Fast eine Meuterei in Caesars Heer
  • Caesar begibt sich nach Rom, läßt sich zum Dictator ernennen
  • Caesar setzt nach Illyrien über
  • Caesar beordert Marcus Antonius nach Illyrien
  • Der kommt aber nicht. Seeabenteuer
  • Besseres Wetter: endlich Verstärkung für Caesar aus Italien
  • Pompeius schickt Cornelia nach Lesbos




Dienstag, 10. August 2021

Weiter im Lucan

Buch V endet mit einem Abschied. Wie Lucan diese Szene gestaltet, ist wirklich herzzerreißend, und sollte jemand noch daran gezweifelt haben, daß Lucan ein großer Dichter ist, so dürfte dieser Zweifel spätestens hier ausgeräumt sein. Pompeius sieht, wie Caesar Verstärkung um Verstärkung zuläuft und ahnt, daß der Krieg sich der Entscheidung nähert. Aus Angst um das Leben seiner Gattin Cornelia schickt er sie fort, nach Lesbos, dort soll sie das Ende des Krieges abwarten. Sollte Pompeius geschlagen werden und noch fliehen können, will er einen Ort haben, an den er entkommen und sich mit seiner Gattin treffen kann. Cornelia ist über diese Absicht außer sich; es ist ihr unerträglich, in der Ferne nicht zu wissen, wie es um ihren Mann steht; noch das Schiff, das die Kunde seines Sieges brächte, müßte sie fürchten. Ich übersetze die Szene mal in voller Länge (V 722--815), den lateinischen Text findet man beispielsweise hier:

"Da von allen Seiten Caesars Heer frische Truppen zuströmten, begriff Pompeius, daß seinem Lager die letzte Entscheidung des grausamen Konflikts bevorstand. Da beschloß er, die süße Last seiner Gattin in Sicherheit zu bringen. Ja, er will dich, Cornelia, nach Lesbos bringen lassen und dich dort, fernab vom wüsten Schlachenlärm, verstecken. Ach! Wie leitet nicht aufrechte Gemüter die rechtschaffene Ehe! Auch dich, Pompeius, hat die Liebe zögerlich und ängstlich vor dem Kriege werden lassen. Als einzige sollte Cornelia den Schlag des Schicksals, der die Welt und die Zukunft Roms treffen würde, nicht spüren müssen. Da lassen die Worte die schon gefaßte Absicht im Stich, und schon im Begriff, was kommen muß, herbeizuziehen, will er sich noch einem Aufschub überlassen und dem Schicksal eine kleine Weile entwenden. Als der Tag anbricht und den Schlaf vertreibt, wärmt Cornelia mit ihrer Umarmung die von Sorgen schwere Brust ihres Mannes; doch als sie ihm Küsse geben will, wie sie ihm gefallen, wendet er sich ab; sie erschrickt über die feuchten Wangen, und von einem dunklen Schmerz getroffen, wagt sie es nicht, mit anzusehen, wie Pompeius weint. Der aber spricht seufzend zur ihr: 'Nun bist du mir, da ich des Lebens überdrüssig geworden bin, nicht mehr süßer als das Leben, doch warst du es einmal, in froheren Zeiten. Liebe, der traurige Tag ist da, den wir zu lange und doch nicht lange genug hinausgezögert haben; Caesar ist zur Schlacht bereit. Du mußt fliehen vor diesem Krieg: Lesbos wird dir ein sicheres Versteck bieten. Versuch nicht, mich mit Bitten umzustimmen: Ich habe sie mir selbst schon abgeschlagen. Du wirst die Entfernung von mir nicht lange ertragen müssen; die Dinge werden sich überstürzen, und Großes stürzt am schnellsten ein. Es reicht, daß du von den Gefahren, die mir drohen, weißt. Wenn du es erträgst, den Bruderkrieg mit anzusehen, hast du mich und meine Liebe getäuscht. Ich schäme mich, am Vorabend der Schlacht neben meiner Frau in Sicherheit zu schlafen und, wenn die Trompete diese erbärmliche Welt zum Beben bringt, mich von deiner Seite zu erheben. Ich scheue mich, in den Bürgerkrieg zu ziehen, ohne ein persönliches Opfer gebracht zu haben. Bleib du in deinem Versteck, sicherer als alle Völker und Könige. Fern von mir möge dich das Unglück deines Gatten nicht mit voller Wucht erdrücken. Sollten die Götter unsere Schlachtreihe zerschlagen, dann soll das Beste von mir erhalten bleiben und ich, wenn das Schicksal mir zusetzt und der blutbefleckte Sieger mir auf den Fersen ist, einen Ort haben, an den ich dann fliehen kann.' Kaum ertrug da Cornelia den Schmerz, eine Schwäche kam über sie, und die Sinne wollten ihr schwinden. Endlich vermochte die Stimme ihren Protest in traurige Worte zu fassen: 'Es bleibt mir nichts mehr über das Schicksal unserer Ehe oder die Götter zu klagen, Magnus. Nicht der Tod zerbricht unsere Liebe, nicht die letzte Fackel am grausamen Scheiterhaufen, nein! Ich teile das gwöhnliche, triviale Schicksal so vieler anderer Frauen -- und werde von meinem Mann verlassen! Beim Nahen des Feindes das Ehegelöbnis brechen, den Schwiegervater besänftigen -- das also, Magnus, verstehst du unter unserer Treue? Glaubst du, daß irgend etwas für mich sicherer sein kann als für dich? Teilen wir denn nicht dasselbe Geschick? Du heißest mich, fern von dir dem Blitz und Donner und dem totalen Untergang die Stirn zu bieten? Scheint es dir ein leichtes Los für mich, schon längst gestorben zu sein, während du noch um Rettung betest? Selbst wenn ich mich weigern sollte, dem Übel weiter zu dienen, sondern mir den Tod gäbe und dir in die Unterwelt folgte, dann würde ich doch solange dich überleben müssen, bis die traurige Kunde von deinem Tod endlich das Land meines Exils erschüttert hätte. Mehr noch, du Grausamer! Du gewöhnst mich an das Schicksal und lehrst mich, einen so großen Schmerz zu ertragen. Verzeih mir, wenn ich aufrichtig spreche: Ich fürchte mich davor, ihn ertragen zu können. Wenn also Gebete helfen und die Götter mich erhören, dann werde ich, deine Gattin, als letzte vom Ausgang der Ereignisse erfahren. Wie angeleimt werde ich auf der Klippe ausharren, während du vielleicht schon gesiegt hast, und das Schiff fürchten, das die frohe Kunde bringt. Und auch die Nachricht von deinem Sieg wird mir die Furcht nicht nehmen, kann ich doch, verschlagen an einen öden Ort, selbst noch von einem flüchtigen Caesar entführt werden. Der bekannte Name wird sich an jenem Gestade herumsprechen, wem bliebe verborgen, daß Pompeius seine Frau in Mytilene untergebracht hat? Also ist dies meine letzte Bitte an dich: Solltest du unterliegen und dir nichts mehr als die Flucht übrigbleiben, dann lenke, wenn du dich dem Meere anvertraust, dein unglückverheißendes Schiff woanders hin. Denn man wird dich dort suchen, wo ich bin.' So sprach sie. Dann springt sie wie von Sinnen vom Lager auf, um die Qual nicht noch zu verlängern, Pompeius' süße Umarmung, sich an seine Brust, seinen Hals zu schmiegen, erträgt sie nicht; und in diesem Moment vergeht die letzte Blüte einer so langen Liebe. Sie stürzen sich in ihre Trauer, scheidend erträgt es keins von ihnen, auch nur Lebewohl zu sagen. Der beiden ganzes Leben enthielt keine traurigere Stunde als diese; denn die kommenden Katastrophen würden sie gefaßt ertragen, mit einer durch bereits erlittene Übel gestärkten Haltung. Ohnmächtig sinkt Cornelia nieder, ihre Dienerinnen fangen sie auf, man trägt sie zum Meeresstrand, wo sie sich auf die Erde wirft und sich am Sand festkrallt; schließlich wird sie an Bord gebracht. Selbst damals, als sie, bedrängt von den Truppen des grausamen Caesar, die italische Heimat verlassen mußte, war sie nicht so unglücklich wie jetzt. Jetzt reist die treue Gefährtin des Pompeius ganz alleine, verläßt ihren Führer, flieht. Was für eine schlaflose Nacht erwartet dich, Cornelia. Alleine im ungewohnt leeren Bett, eine eisige Ruhe, keinen Mann, der sich an deine nackte Flanke schmiegt. Wie oft täuschten ihre Hände sie, wenn sie, betäubt von Schlaf, das leere Bett umarmte, in der Nacht ihren Mann suchte, bis ihr wieder einfiel, daß sie ja geflohen war. Obwohl sie bis ins Mark glühte vor Sehnsucht, half es nicht, sich im ganzen Bett zu wälzen: seinen Teil des Lagers sparte sie aus. Sie fürchtete, ihren Mann für immer entbehren zu müssen; aber das wäre noch glimpflich gewesen. Etwas anderes hatten die Götter ihr bestimmt. Schon nahte die Stunde, die der Unglücklichen ihren Pompeius wiederbrächte.




Montag, 9. August 2021

Noch einmal Parsec

Die Länge des Parsecs berechnet sich wie folgt: Eine AU beträgt exakt 149 597 870 700 m (dieser Wert ist eine Festlegung, der empirische Abstand zwischen Erde und Sonne schwankt wegen der Ellipsenform der Erdbahn und ein paar kleineren Störfaktoren). In dem Dreieck Sonne (S) -- Objekt in 1 Parsec Entfernung (P) -- und Erde (E) beträgt nach der Definition des Parsecs der Winkel SPE genau 1". Durch Trigonometrie erhält man dann die Gleichung:

tan 1" = 1AU/1pc

Durch Umstellung:

1pc = 1AU/tan 1" = 3,08576466×1016 m

Bzw. 3,08576466×1013 km bzw. 3,2616 Lichtjahre. Um zu ermessen, was das praktisch bedeutet, und warum es so lange gedauert hat, bis man durch Triangulation den Abstand benachbarter Sterne messen konnte, muß man sich klarmachen, daß erstens selbst der unserer Sonne naheste Stern, Proxima Centauri, bereits mehr als ein Parsec entfernt ist (nämlich 1,3 pc), seine Parallaxe also weniger als eine Bogensekunde beträgt; eine Bogensekunde, das entspricht dem Winkel, unter dem der Durchmesser eines 1-Euro-Stücks aus vier Kilometern Entfernung erscheint. Also klein. Also sehr, sehr klein. Das muß man erstmal messen können. Was erst 1838 dem Astronomen Wilhelm Bessel beim 11,4 Lichtjahre entfernten Stern 61 Cygni gelang, dessen Parallaxe er mit 0",013 (10,28 Lichtjahre), bei einem mittleren Fehler von 0",02 bestimmte, was innerhalb der damaligen Meßgenauigkeit durch moderne Messungen bestätigt werden konnte. Das vermeintliche Fehlen der Sternparallaxe war übrigens lange Zeit ein Standardargument gegen das Heliozentrische Weltbild: Wenn die Erde, so die Argumentation, sich um die Sonne bewege, dann müßten bei den Fixsternen Parallaxen zu beobachten sein. Aus dem Fehlen derselben wurde gefolgert, die Erde müsse stillstehen. Die Behauptung, die Sterne seien einfach zu weit weg, durfte natürlich mit Fug und Recht als eine argumentative Immunisierungsstrategie abgelehnt werden.

Weiter im Lucan

V 711--716 bietet einen hübschen Vergleich von Schiffen mit Kranichen: die Ordnung der Flotte gerät bei umschlagendem Wind durcheinander, so wie Schwärme von Kranichen, deren Körper im Auffliegen verschiedene Muster bilden, Buchstaben, die weiter oben, wenn die Tiere in den Sog des Südwinds geraten, sich wieder verlieren, während die Schwärme durcheinandergeraten und sich zu Kugeln ballen. Das ist nicht ganz korrekt, Kraniche bilden ja innerhalb kurzer Zeit geordnete V-Formationen aus, aber egal. Die Verbindung von zufälligen Strukturen und den Formen von Buchstaben fand ich interessant. Ich habe mich gefragt, ob der Vergleich vielleicht irgendwo in Lukrez vorkommt, das würde passen. Kommt er aber nicht. Kraniche kommen genau zweimal vor, im vierten Buch, und zwar in einer wortwörtlich wiederholten formelhaften Wendung, in der der Dichter seine eigenen knappen aber wohlklingenden Verse mit dem kleinen Schwan vergleicht, dessen Gesang so viel klangvoller sei als der der größeren Kraniche. (Lucr. IV 183ff und IV 910ff) Von einem Vergleich zwischen Kranichen, die Buchstaben, und Atomen, die Stoffe, Körper und Organismen bilden, findet sich leider nichts.





Donnerstag, 5. August 2021

Mehr Botanik:

Der alternative Name der Kirschpflaume, Myrobalane, Prunus cerasifera "Kirschtragende Pflaume", kommt aus dem Altgriechischen (μυροβάλανος), wo es eigentlich eine Dattelart, die Wüstendattel, bezeichnet. Die Wüstendattel hat nun mit Pflaumen, ja mit Rosengewächsen, ja selbst mit der Ordnung Rosales nicht das geringste zu tun. Übrigens ist sie auch keine Datteln, das ist wieder so ein volkstümlicher Misnomer, wie die Rottanne (die eine Fichte ist) oder die Weißbuche (die keine Buche ist), sondern eine Art der Gattung Balanites in der Familie der Jochblattgewächse. Echte Datteln nämlich sind nicht einmal zweikeimblättrige Pflanzen, also von den Rosaceae oder den Jochblattgewächsen durch eine Unterteilung sehr hoher Ordnung getrennt (also ziemlich weit oben im Stammbaum). Der moderne Name Myrobalane für die Kirschpflaume setzt sich zusammen aus dem Morphem Myro- von μύρον "süßer Pflanzensaft, Salböl" und βάλανος "Eichel", bedeutet also wörtlich "Öleichel" oder vielleicht "Dufteichel". Als Myrobalanen werden aber auch noch die Arten der Gattung Terminalia innerhalb der Familie der Flügelsamengewächse (Combretaceae) bezeichnet, die weltweit in den Tropen verbreitet sind; ferner trägt der Amlabaum (Phyllanthus emblica) diesen Trivialnamen (auch bekannt als "Indische Stachelbeere", obwohl die Pflanze nichts mit Stachelbeeren, einer Pflanze aus der Familie der Stachelbeergewächse (Grossulariaceae) -- und immerhin eine echte Beere -- zu tun hat)


Weiter im Lucan.

Die Entrüstung der Soldaten über Caesars gefährliche Eskapade hat etwas Rührendes; man meint, immer noch das schlechte Gewissen über die Meuterei herauszuhören, wenn sich Caesars treue Legionäre so lautstark um ihren Anführer besorgt zeigen. Andererseits, wo sollten sie auch hin, wenn Caesar als Kopf und Garant für den Erfolg des ganzen Unternehmens nicht mehr wäre? Caesar ist ihre Trumpfkarte, auf die sie alles gesetzt haben, ein anderes Blatt haben sie nicht im Ärmel. Das hat ihnen zuletzt Caesar selbst auseinandergesetzt, als er sie wegen ihres Wankelmutes rügte. Interessant auch die kindliche Argumentation: Du hast die Götter, das Schicksal für eine Kleinigkeit herausgefordert, du hast ihre Gunst dazu gebraucht, Überlebender eines Schiffbruchs zu sein. -- Als gäbe es eine Portion Glück, und Caesar habe die seine für etwas Lächerliches aufgewendet (698f):
hine usus placuere deum, non rector ut orbis
nec dominus rerum, sed felix naufragus esses?

Metonymie: sopor "Betäubung" --> "Schlaf" (690)


Sonstige Irrwege dieses Vormittags:

Plejaden --> Parsec --> Parsec --> Bogensekunde --> Grad (Winkel) --> zusammengesetzte Zahlen --> Grad --> Radiant --> Kreisbogen --> Tangensfunktion --> Parsec --> dünnes Dreieck.

(1 Parsec, übrigens, ist die Entfernung, aus der eine Astronomische Einheit (AU, die Entfernung Erde--Sonne, ungefähr 150 Mio km) genau eine Bogensekunde groß erscheint. Umgekehrt heißt das: Wenn ein Objekt, von zwei Positionen auf der Erdbahn um die Sonne aus beobachtet, deren Entfernung dem Abstand einer AU entspricht, eine Parallaxe von 1 Bogensekunde aufweist, dann beträgt seine Entfernung zur Sonne ein Parsec.)





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