Wenn die Katze endlich zu fressen beginnt, gibt es ein Geräusch, als drehte man den Löffel in der Zuckerdose um. Dann folgt ein Schmatzen. Wenn die Katze endlich zu fressen beginnt, wählerisch, vorsichtig, als wäre die Mahlzeit noch fast zu heiß, fängt sie vorne an, am Schädel, sie beißt mit den hinteren Zähnen seitwärts zu. In der Mitte knirscht es nicht mehr, erst das letzte Stück, das am Schwanz festhängt wie ein Köder an der Angelschnur, gibt noch einmal ein mürbes Krachen, ein Krächeln, von sich. Der Bauchraum läßt eine graue Ziehharmonika aus Enddarm frei, der bleibt übrig und schleift eine Blutspur über den gekachelten Boden des Hausflurs. Magen, Leber, Lunge wandern ins Maul der Katze. Die Nieren werden verschmäht, scheinen, wie der Enddarm, nicht zu schmecken. Es krächelt, und der Unterleib verschwindet zwischen den Zähnen, nicht einmal der Schwanz, den ich mir unangenehm im Kaugefühl vorstelle, (aber was weiß ich schon vom Kaugefühl einer Katze, und wäre mir der Schädel samt Kiefer und Nagezähnen oder das Becken lieber?) ähnlich einem Stück Pelle am Ende der Wurst, bleibt übrig, übrig bleiben neben dem Darm nur zwei, halt, drei hellrote, glatte Kügelchen. Drei? Wieso hat diese Maus drei Nieren besessen? Doch was da nach dem Aufwischen kleinfingernagelgroß und annähernd rund auf dem Küchenkrepp liegt, sind keine Nieren. Unter einer gespannten glatten, transparenten Membran zeichnen sich Körperformen ab, liegt etwas eingefaltet wie eine Made, wie ein Parasit, sind am Ende einer Raupenform, aus der Pfotenwülstchen herauswachsen, winzige Schädelchen mit punktförmigen, schwarzen Augen daran auszumachen, die betreten dreinblicken, als wären sie bei einem dummen Streich ertappt worden, dessen tatsächliche katastrophale Folgen sich noch gar nicht zu erkennen gegeben haben.
Füße keine, für Sonne, in Bäumen. Die Schatten der Vögel rollen die Flugbahnen auf, bergen sie anfangs des Winds.
Leere des Raums, zu weit für Schall, zu müde für Wolken. Quitten lösen das Licht, schal wie ein Luftkuß, vom Laub.
Als ich auf die Wiese trat, stieg eben die Nacht vom Rücken der Pferde und hockte sich in den Graben.
Ich sah ihren schwarzen Hut, wie sie ihn ins Wasser tunkte, wie das Wasser davon schwarz wurde und alle Spiegelungen zum Grund sanken.
Die Pferde warteten auf ihren Reiter; der aber kam nicht zurück. Die Zäune drehten sich um, wie Leute, die etwas zu verbergen haben. Von der nahen Stadt her schleppten die Straßen schwer an der Ferne.
Als wäre die Glühbirne kaputt oder nicht mehr vorhanden, die Läden heruntergelassen, und dazu die Spinnweben, der kühle, feuchte Staub, die Zurückhaltung der Stirn, wenn sie eintaucht in diesen dunklen Raum, dessen Tiefe oder Begrenztheit sich nicht sofort erweist, sondern in seiner rätselhaften Verweigerung in die Wege hineinzieht; dazu das Tasten des Lampenstrahls, der, indem er nur Einzelnes und dieses auch noch losgelöst von seinen Zusammenhängen sichtbar macht, mehr, als ein Bild von ihr zu liefern, die Umgebung verunklart; das Gefühl unbewohnter Zimmer, als beträte man ein seit Jahren nicht geöffnetes Kellerabteil, oder eine verdunkelte Dachgeschoßwohnung, die nach dem plötzlichen Ableben ihrer betagten Bewohnerin im letzten Jahrhundert niemand mehr betreten hat: Die Möbel stehen so, wie sie die Mieterin zurückließ, eine Lesebrille liegt noch auf dem Kanapee, der Tee in der Blümchentasse ist zu blättrigen Schüppchen eingetrocknet. Drei Krümel Lavendelblüten auf einem Tellerchen verströmen einen Geruch nach saurer Milch. Das zuletzt gelesene Buch liegt mit der Innenseite nach unten aufgeschlagen über der Armlehne. In einem offenen Schrank schlagen leise die leeren Kleiderbügel aneinander. Die Namen im Adreßbüchlein, zwischen dessen braunen Seiten sich ein gepreßtes Hirtentäschelkraut findet, gehören niemandem mehr. Die Dinge sind verfremdet durch ihr langes Warten. Die Zeit hat das Linoleum ausgetrocknet und die Lampenschirme brüchig werden lassen. Sie hängen vor leeren Gewinden wie die Buchstaben in der Asche einer verbrannten Zeitung. Es ist das Bild der Ordnung einer vergangenen Zeit, die nicht mehr herrscht, ihr fernes Echo. Im Kopfwenden fliegt von der Tür her, vom Flur, ein Lichtreflex über eine Bildverglasung, und für einen Moment ist es, als führte dort ein Fenster in einen Nebenraum, und dahinter wäre eben jemand vorübergegangen.
Ich laufe durch die Ordnungen des Sommers, durch sein fernes Echo von Chlorophyll. Die Blütenstände stehen aufrecht-starr wie vergessene Blumen in der Vase, die Beeren sind fahl wie die gepreßten Projektionen eines Herbariums. Nebel hängt vor den Schemen der Pferde, die auf der Weide stehen wie Koffer mit verstimmten Musikinstrumenten. Während ein Blatt fällt, ein anderes stumm den Mund aufreißt, steigt die plötzliche Furcht in mir auf, ich könnte etwas übersehen haben. Gleich werde ich erschrecken, vor einem geräuschlosen Fund, den ich lieber nicht machen möchte. Wenn ich nur wüßte, was es war, vor dem ich mich in Acht zu nehmen hätte. Es wäre etwas, das gerade eben in den Lampenkegel hereinragt und matt glänzt, undeutbar, bis man das Licht unwillkürlich ganz darauf richtet. Was unter den Füßen wirbelt, Staub, der nicht mehr lebendig ist, verdankt sich nicht der Nachlässigkeit des Jetzt, ist ein Symptom nicht der frischen Unordnung, sondern der Zeit selbst. Etwas, das sie zurückließ, die feine Schlacke ihres Vergehens. Der Lampenstrahl fällt in verlassene Räume, in denen die Nacht darüber wacht, daß alles so bleibt, wie es war, als der Sommer auszog.
(Auf manchen Baustellen wirken diese Bagger derart unbeholfen, daß man sich fragt, ob nicht drei, vier starke Männer mit Spaten schneller wären.)
Es wird das sein, was es geworden sein wird.
Und die Dunkelheit entläßt wieder ihre Wanderer. Denen kommt es darauf an, erster zu sein, sich schon auszukennen, während die anderen noch suchen. Zwei Frauen verraten der Dunkelheit ihr Lieblingsparfum. Ein Mann steckt den abgelösten Saum des Weges mit seinen Stöcken fest. Ich aber bin der Schrecken derer, die keine Lampe haben.
In der Ebene warten wieder die Lichter, sie schauen nach oben wie Priester, die auf die Erlösung lauern, daß sie ihnen ja nicht entgeht, wenn sie kommt.
Während in den Schatten die Apfelkerne in ihren harten Schalldämpfern über den Weg rollen, dem altgewordenen Mond vor die Füße.
Nach meiner unmaßgeblichen Meinung hat Greta Thunberg mehr für die Zukunft dieses Planeten getan als sämtliche bisherigen sogenannten Klimagipfel zusammengenommen. Die Boshaftigkeit und Häme, mit der diese starke, tapfere und aufrechte Frau überzogen wird, scheint sich mir nichts anderem zu verdanken als dem uneingestandenen schlechten Gewissen der Kritiker. Diese Kritik ist in folgende Kategorien zerlegbar:
- - Greta Thunberg bewirkt nicht genug.
- - Greta Thunberg bewirkt zu viel.
- - Greta Thunberg hat recht.
den Kaffee. Und dann möchte ich von eiswürfelkaffekalten, sich an meinen langsam erwärmenden Lippen geküßt sein.
Die schlaflosen Nächte, sie folgen mir, ich kann ihren wasserdunklen Stunden nicht entkommen, sie kennen die Wege, die Strecken im voraus, sie passen mich ab, sie warten an den Kreuzungen, sie hängen von den Bäumen herunter, hocken auf Zaunpfählen, tarnen sich als Rind, als Geiß, sie tauchen genau dann auf, wenn ich am wenigsten mit ihnen rechne. Was habe ich gedacht, bevor ich dachte? Ich kann nicht wollen, was ich denke, und nicht denken, was ich will. Ich denke, was ich denke. Nicht ich denke, die Gedanken denken sich selbst.
Alles kehrt zu mir zurück, jeder Weg, jeder Stein, jede vermoderte Pflaume. Wolkenlos, die Kreuzungen ein Spielzeug, nutzlos, das sich selbst spielt. Ich bin müde und kann nicht schlafen. Ich bin müde wie ein Kiefernzapfen, müde wie der Schatten unter der vertrockneten Kastanie, müde wie das Steinkreuz auf der anderen Seite des Forstes, erschöpft von Wegen, müde wie die Wege selbst. Aber schlafen kann ich nicht.
Ich bin mir selbst unbrauchbar. Ich laufe und laufe, aber ich komme nirgends hin. Und alles kehrt zu mir zurück, unverwandelt, so roh, wie als ich zum ersten Mal darauf traf.
Aus der Luft gegriffen: Immer mit leeren Händen nach Hause.
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