Weiter im Lucan

Sprachliche Schwierigkeiten in Buch VIII

VIII 229--232

... tamen omnia uincens
sustinui nostris uos tantum desse triumphis,
solusque e numero regum telluris Eoae
ex aequo me Parthus adit.

"Dennoch, obwohl ich überall siegte, hielt ich es aus, daß ihr als einzige unter meinen Triumphen fehltet; und als einziger aus der Zahl der östlichen Könige, tritt mir der Parther als Ebenbürtiger entgegen."

Es sind die schon bekannten Lucan'schen Sprachschwurbel, die hier in besonderer Umständlichkeit auftreten. Es geht los mit dem Verb sustinui "hielt stand; ertrug; unterstützte", mit Objektsatz "ertragen, aushalten; auf sich nehmen", dessen Bedeutung man schon arg strecken muß, um noch einen plausiblen Sinn aus der Passage zu ziehen. desse triumphis "den Triumphen fehlen", damit ist gemeint, bei den Triumphen der Gegner nicht dabeigewesen zu sein, also nicht unter die Besiegten zu zählen; "davongekommen sein; unbesiegt geblieben sein". ex aequo adire "als Ebenbürtiger gegenüberstehen", das könnte man sicher auch einfacher haben. (Aber dann brauchte man auch keinen Lucan mehr zu lesen, sondern könnte mit der Zusammenfassung der Pharsalia in leichter Sprache vorlieb nehmen.)

VIII 232ff

... nec munere Magni
stant semel Arsacidae; quis enim post uolnera cladis
Assyriae iustas Latii conpescuit iras?

"Und nicht (nur) einmal blieben die Arsaciden aufrecht stehen; denn wer hat nach dem Trauma der Niederlage bei Carrhae den gerechten Zorn der Römer bezähmt?" Hier liegt die Schwierigkeit darin, auf die Ergänzung der Fokuspartikel nur zu kommen. Das Latenische kennt durchaus Fokuspartikeln, sie finden aber nur äußerst sparsam Anwendung. Warum, wissen die Götter.

VIII 226f

crederet hoc Magnus, pacem cum praestitit undis,
et sibi consultum? ...

"Hätte Magnus das geglaubt, daß er, als er Frieden schuf auf dem Meer, für sich selbst gesorgt haben würde?" Der Konjunktiv Imperfekt crederet stellt eine formelhafte Wendung dar, "hätte glauben können, hätte wohl geglaubt", hier als Variante von crederes "man hätte glauben können, daß ...", das Lateinische bevorzugt in dieser Wendung den Irrealis der Gegenwart, warum auch immer. Das cum ist hier ein sogenanntes cum identicum "indem, dadurch daß", "indem er auf dem Meer Frieden schuf". Der Form nach ist consultum (esse) Infinitiv Perfekt, also vorzeitig. Aber vorzeitig zu was? Doch nur zum Irrealis crederet "hätte geglaubt": "Hätte Magnus geglaubt, daß für ihn selbst gesorgt worden war, indem er ..." Wir würden hier im Deutschen wohl die etwas schräge Form "für sich selbst gesorgt haben würde" nehmen. Pompeius hat ja tatsächlich für sich selbst gesorgt, aber das wird erst in der Zukunft offenbar, dann nämlich, wenn die später Wirkung sich zeigt und die Folgen der Tat seiner Jugend sich als segensreich herausstellen (herausgestellt haben werden?). Tempora sind manchmal komische Erscheinungen.

VIII 311ff

quod si nos Eoa fides et barbara fallent
foedera, uolgati supra commercia mundi
naufragium fortuna ferat

"Wenn also die Treue des Ostens und die Verträge mit den Barbaren nicht halten, was sie versprechen, dann wird das Schicksal den Schiffbrüchigen über die Verkehrswege der bekannten Welt hinaus forttragen."

Mit naufragium meint sich Pompeius als Redner selbst, erst dann ergibt die Stelle überhaupt Sinn.

VIII 314ff

... sat magna feram solacia mortis
orbe iacens alio, nihil haec in membra cruente,
nil socerum fecisse pie. ...

"Werde ich angesichts des Todes den zufriedenstellenden Trost haben, wenn ich in einer fremden Weltregion tot darniederliege, daß mein Schwiegervater weder seine Wut an meinem Leichnam auslassen noch ihm die letzte Ehre erweisen kann." Hier ist es die Komplexität des Gedankens selbst, der zusammen mit der äußerst knappen Andeutung cruente und pie, die jeweils die Schändigung des bzw. Ehrerweisung gegen den Leichnam zusammenfassen, das Verständnis der Passage erschwert.

VIII 553--556

non domitor mundi nec ter Capitolia curru
inuectus regumque potens uindexque senatus
uictorisque gener, Phario satis esse tyranno
quod poterat, Romanus erat

"(Auch als) Nicht-Bezwinger der Welt, und nicht dreimal auf dem Wagen um den Kapitol Gefahrener, oder Herr über Könige oder Retter des Senats oder Schwiegersohn des Siegers, was dem Ägyptischen König genug hätte sein können, er war (immerhin) ein Römer." Das ergibt auch auf deutsch wenig Sinn. Hier muß kräftig ergänzt und gedreht werden, damit deutlich wird, was Lucan meint: Romanus erat, quod non domitor ... poterat satis esse tyranno.

"Selbst wenn (Magnus) nicht der Bezwinger der Welt gewesen, nicht auf dem Triumphwagen um den Kapitol gefahren worden, nicht der Retter des Senats und nicht der Schwiegersohn Caesars gewesen wäre, so wäre er doch immerhin eines noch, und das wäre eigentlich schon genug für einen König der Ägypter: ein Römer."

(Der Indikativ des Modals kann hier wieder als Irrealis wiedergegeben werden: "hätte für einen ägyptischen König genug sein können")