Lucan -- Plutarch

Anläßlich der Frage, wie denn andere antike Autoren Pompeius Verhalten nach der Niederlage beurteilen, habe ich mir mal Plutarchs Parallelbiographien vorgenommen und ein bißchen die Pompeiusbiographie durchstöbert. Zwar hält sich Plutarch mit einer Bewertung der Flucht zurück (Pompeius wird von Plutarch insgesamt positiv dargestellt); spannend ist jedoch der Befund, daß mehrere Passagen zwischen Lucan und Plutarch bis in einzelne Formulierungen hinein aufeinander bezogen werden können. Es klingt, als hätte Plutarch bei Lucan abgeschrieben. Das hat er sicher nicht getan, aber beide dürften aus denselben Quellen (dafür käme etwa der bei Plutarch namentlich genannte, leider bis auf Fragmente nicht erhaltene Asinius Pollio in Frage) geschöpft haben. Ich erlaube mir mal die Muße, dem im einzelnen nachzugehen:

Es fängt damit an, daß auch bei Plutarch Pompeius von seinen Anhängern zur Schlacht gedrängt wird. Freilich beschreibt Plutarch die Entwicklung ein bißchen anders, als bei Lucan dargestellt. Nach Aukunft des Biographen kommt Pompeius ein Gerede unter Offizieren seiner Reiterei zu Ohren: sobald man Caesar erledigt habe, müsse man auch Pompeius beseitigen. In dieser Darstellung beargwöhnen die Anhänger der Senatspartei also die allzu große Machtstellung ihres Anführers. Vielleicht habe Pompeius, so Plutarch weiter, auch deswegen Cato für nichts kommen lassen und ihn mit der Beaufsichtigung des Gepäcks an der Küste zurückgelassen: damit dieser ihn nach dem Sieg gegen Caesar nicht zwingen könne, sein eigenes Kommando niederzulegen. Vorwürfe wären laut geworden, Pompeius diene nicht Rom, sondern folge seiner eigenen Agenda (ὡς οὐ Καίσαρα καταστρατηγῶν, ἀλλὰ τὴν πατρίδα καὶ τὴν βουλήν, ὅπως διὰ παντὸς ἄρχῃ, "daß er nicht gegen Caesar, sondern gegen sein eigenes Vaterland zu Felde ziehe, damit er sein Amt für immer behalte"). So oder so, Pompeius muß, will er nicht seine eigenen Offiziere gegen sich aufbringen, sozusagen den Beweis erbringen, daß die Anschuldigungen gegen ihn haltlos sind. (Übrigens werden bei Plutarch dieselben Akteure, die den Heerführer zum Losschlagen zwingen, später, nach der Katastrophe, alles besser wissen und Pompeius Vorhaltungen zu seiner Strategie machen.)

In VII, 428--431 reflektiert die Erzählstimme darüber, was die beiden bei Pharsalos aufeinander losgehenden Heere zusammen unter gemeinsamer Führung alles hätten erreichen können. Statt die Parther zu besiegen und die Skythen, statt die Grenzen des Imperium Romanum bis nach Indien auszudehnen, zieht es die Weltmacht Rom vor, sich selbst zu zerlegen. Genau dieser Gedanke findet sich auch bei Plutarch (Pompeius, 70,2--3):

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>ὅπλα γὰρ συγγενικὰ καὶ τάξεις ἀδελφαὶ καὶ κοινὰ σημεῖα καὶ μιᾶς πόλεως εὐανδρία τοσαύτη καὶ δύναμις αὐτὴ πρὸς ἑαυτὴν συνέπιπτεν, ἐπιδεικνυμένη τὴν ἀνθρωπίνην φύσιν, ὡς ἐν πάθει γενομένη τυφλόν ἐστι καὶ μανιῶδες. ἦν μὲν γὰρ ἤδη καθ’ ἡσυχίαν χρῄζουσιν ἄρχειν καὶ ἀπολαύειν τῶν κατειργασμένων τὸ πλεῖστον καὶ κράτιστον ἀρετῇ γῆς καὶ θαλάσσης ὑπήκοον, ἦν δ’ ἔτι τροπαίων καὶ θριάμβων ἔρωτι βουλομένους χαρίζεσθαι καὶ διψῶντας ἐμπίπλασθαι Παρθικῶν πολέμων ἢ Γερμανικῶν. πολὺ δὲ καὶ Σκυθία λειπόμενον ἔργον καὶ Ἰνδοί, καὶ πρόφασις οὐκ ἄδοξος ἐπὶ ταῦτα τῆς πλεονεξίας ἡμερῶσαι τὰ βαρβαρικά. τίς δ’ ἂν ἢ Σκυθῶν ἵππος ἢ τοξεύματα Πάρθων ἢ πλοῦτος Ἰνδῶν ἐπέσχε μυριάδας ἑπτὰ Ῥωμαίων ἐν ὅπλοις ἐπερχομένας Πομπηΐου καὶ Καίσαρος ἡγουμένων, ὧν ὄνομα πολὺ πρότερον ἤκουσαν ἢ τὸ Ῥωμαίων; οὕτως ἄμικτα καὶ ποικίλα καὶ θηριώδη φῦλα νικῶντες ἐπῆλθον.

"Denn die miteinander verwandten Waffen, verbrüderten Reihen, gemeinsamen Feldzeichen, dieser Mut und diese Gewalt einer einzigen Stadt gingen auf sich selber los und zeigten damit die menschliche Natur auf, die in der Leidenschaft blind und rasend ist. Ihnen war doch, wenn sie nur gewollt hätten, in Ruhe das Eroberte zu beherrschen und zu genießen, das meiste und beste an Land und Meer untertan; und wenn sie ihrer Lust auf Beute und Triumphe frönen wollten, hätten sie ihren Durst mit Parther- und Germanenkriegen löschen können. Auch gab es noch genug Werke zu vollbringen bei Skythen und Indern, und über die Gier hinaus ist der Vorwand, Barbaren zu bezähmen, nicht ganz ehrlos. Welcher skythische Reiter, welche parthischen Pfeile, welche Mittel Indiens hätten siebzigtausend Römer unter Waffen aufgehalten, die von Caesar oder Pompeius angeführt worden wären? deren Namen [diese Völker] früher gehört hatten als den Roms, so wilde und verschiedenartige und unzivilisierte Völker hatten sie auf ihrem Marsch unterworfen."

(Da mein Griechisch nur diy-Qualität hat, bin ich um Hinweise dankbar, warum τυφλόν und μανιῶδες neutrum sind, obwohl sie sich doch nur auf ἀνθρωπίνην φύσιν beziehen können.)

Die nächste "Konkordanz" (um es mal so zu nennen) findet sich in einer Szene im achten Buch, wo die überlebenden Senatoren und Pompeius nach der Flucht beraten, was nun zu tun sei. Pompeius schlägt vor, die Parther (ja, ausgerechnet die) als Bündnispartner im Kampf gegen Caesar zu gewinnen. Davon rät Lentulus (den wir schon kennen, das war der Konsul, unter dem der Bürgerkrieg ausbrach) entschieden ab: So schlimm, daß man schon die Parther zu Hilfe holen muß, ist die Lage nicht; wer sich mit den Parthern einläßt, macht sich zu deren Sklaven, da braucht man nicht mehr von Freiheit zu schwafeln; wenn Pompeius, den der Partherkönig zu fürchten gelernt hat, jetzt als dessen Bittsteller zu ihm kommt, wird das dem Herrscher zu Kopf steigen; die Parther sind Barbaren; der König wird verlangen, daß Pompeius sich vor ihm erniedrigt; und sollen etwa Parther die geschlagene Wunde eher rächen als Rom selbst es tut? Sollen diese Völker nicht lieber keinen Wind von Pompeius' Niederlage bekommen? Der einzige Trost Roms ist doch, keinem König zu dienen; sollen wir jetzt Roms Tore für Barbaren öffnen und den Feldzeichen folgen, die die Parther einst den beiden Crassi abgenommen haben? Und überhaupt, glaubt Pompeius wirklich, er, der als einziger König in Thessalien nicht dabei war, wird jetzt gemeinsame Sache -- mit dem Verlierer machen? Außerdem taugen die Parther nicht für den Kampf, sind unzuverlässig, feige, zwar feine Bogenschützen aber lausig im Schwertkampf, neigen zur Flucht, halten nicht stand, lassen sich leicht abwehren; und schließlich ist Pompeius' Schicksal ja noch das leichtere: mehr als den Tod hat er nicht zu erleiden, aber Cornelia? Die losen Sitten der Parther sind wohlbekannt, sie treiben Vielweiberei und Inzest obendrein: nach Pomepius' Tod wäre Cornelia die tausendste unter tausend Frauen des Herrschers, wobei der Umstand, daß sie die Gattin eines Crassus war, sie dem König unter allen seinen Frauen zur reizvollsten machen würde.

Bei Plutarch findet sich Pompeius' Überlegung wieder, zu den Parthern zu fliehen (Pompeius, 76,3-4):

οὐ μὴν ἀλλ’ ἐκ τῶν παρόντων κρίνειν τι καὶ πράττειν ἀναγκαζόμενος, ἐπὶ τὰς πόλεις περιέπεμπε· τὰς δ’ αὐτὸς περιπλέων ᾔτει χρήματα καὶ ναῦς ἐπλήρου. τὴν δ’ ὀξύτητα τοῦ πολεμίου καὶ τὸ τάχος δεδοικώς, μὴ προαναρπάσῃ τῆς παρασκευῆς αὐτὸν ἐπελθών, ἐσκόπει καταφυγὴν ἐπὶ τῷ παρόντι καὶ ἀναχώρησιν. ἐπαρχία μὲν οὖν οὐδεμία φύξιμος ἐφαίνετο βουλευομένοις αὐτοῖς, τῶν δὲ βασιλειῶν αὐτὸς μὲν ἀπέφαινε τὴν Πάρθων ἱκανωτάτην οὖσαν ἔν τε τῷ παρόντι δέξασθαι καὶ περιβαλεῖν σφᾶς ἀσθενεῖς ὄντας, αὖθίς τε ῥῶσαι καὶ προπέμψαι μετὰ πλείστης δυνάμεως ...

"Aber [Pompeius] mußte nun anhand der Lage urteilen und handeln, und so schickte er teils Boten nach verschiedenen Städten aus, teil fuhr er selbst hin und bat um Mittel und warb Besatzung an. Aber da er die Schnelligkeit und Beweglichkeit seines Gegeners fürchtete, prüfte er die Möglichkeiten eines vorübergehenden Fluchtziels, damit Caesar ihm nicht mitten in seinen Vorbereitungen zuvorkomme. Da sie berieten, schien ihnen aber keine Provinz ein geeignetes Refugium, und unter den Königreichen sprach Pompeius sich selbst für das der Parther aus, das, wie er meinte, am geeignetsten wäre, sie zu beherbergen und ihnen in ihrem desolaten Zustand Schutz zu bieten, sowie, sie zu stärken und später mit einer starken Streitmacht auszusenden ..."

Delikat ist natürlich, daß die Parther, seit der Gründung der Provinz Syrien 64/63 v. Chr. Nachbarn der Römer, denen wenige Jahre zuvor (unter einem Mann namens Crassus, der dritte im ersten Triumvirat, zwischen Caesar, Pompeius und ihm selbst) in der Schlacht bei Carrhae gewaltig eins auf die Mütze gegeben und ihnen -- die größte denkbare Schande -- die Legionsadler abgenommen haben. Das Verhältnis zwischen Rom und den Parthern, noch nie rosig, ist seitdem gewissermaßen angespannt. Weswegen denn bei Lucan Lentulus fleißig Salz in diese Wunde reibt. Neben militärischen und pragmatischen Gründen geht es Lentulus in seiner Rede besonders um Fragen der Würde, oder, um es modern auszudrücken, um das wünschenswerte Narrativ. Daß auf die Parther kein Verlaß ist, scheint da nur Vorwand. Das Motiv findet sich bei Lucan wie bei Plutarch (76, 5):

Θεοφάνει δὲ τῷ Λεσβίῳ μανικὸν ἐδόκει τριῶν ἡμερῶν πλοῦν ἀπέχουσαν Αἴγυπτον ἀπολιπόντα καὶ Πτολεμαῖον, ἡλικίαν μὲν ἀντίπαιδα, φιλίας δὲ καὶ χάριτος πατρῴας ὑπόχρεων, Πάρθοις ὑποβαλεῖν ἑαυτόν, ἀπιστοτάτῳ γένει ...

"Theophanos aus Lesbos hielt es für Wahnsinn, das nur drei Segeltage entfernte Ägypten und Ptolemaios, der noch ein Knabe und ihm, Pompeius, wegen des Gefallens, dem ihm sein, Pompeius' Vater erwiesen habe, verpflichtet sei, abzulehnen, andererseits aber sich den Parthern auszuliefern, einem äußerst unzuverlässigen Volk ..."

Trotz der Unterschiede ist es bemerkenswert, daß der grobe Ablauf der Dinge: Flucht, Beratung, Vorschlag des Pompeius, Ablehnung des Vorschlags und Entscheidung für Ägypten, in beiden Erzählungen gleich ist. Gerade die Idee, sich mit den Parthern einzulassen, muß angesichts des römisch-parthischen Verhältnisses so extravagant anmuten, daß darauf zwei Autoren nicht unabhängig voneinander (etwa, um die Verzweiflung Pompeius' darzustellen) gekommen sein werden. Nicht unter die erzählerische Freiheit gehört natürlich die Flucht nach Ägypten, denn daß Pompeius dort ermordert wurde, ist eine historische Tatsache, die keinen Spielraum läßt -- dort muß jedes Epos, jeder historische Roman, wenn er historisch sein will, hin.

Freiheit gibt es bei Reden, Dialogen, Gedanken, Handlungsmotivationen, Charakterzeichnungen. Und auf diesem Feld der Freiheiten sind Parallelen zwischen Autoren (noch dazu zwischen Autoren ganz verschiedener Genres und Absichten) überhaupt erst bemerkenswert. Zum Beispiel ist da die Sache mit Cornelia. Theophanes/Lentulus führt nämlich als eines der Argumente, die gegen eine Flucht ins Partherreich sprechen, die Gefahr für Leib, Leben und guten Ruf (wobei letzterer am schwersten zu wiegen scheint) der Gattin des Heerführers an (76,6):

καὶ γυναῖκα νέαν οἴκου τοῦ Σκηπίωνος εἰς βαρβάρους κομίζειν ὕβρει καὶ ἀκολασίᾳ τὴν ἐξουσίαν μετροῦντας, ᾗ, κἂν μὴ πάθῃ, δόξῃ δὲ παθεῖν, δεινόν ἐστιν ἐπὶ τοῖς ποιῆσαι δυναμένοις γενομένῃ. τοῦτο μόνον, ὥς φασιν, ἀπέτρεψε τῆς ἐπὶ τὸν Εὐφράτην ὁδοῦ Πομπήϊον

"[Theophanos hielt es für Wahnsinn], ... und darüber hinaus eine junge Frau aus dem Hause der Scipionen zu den Barbaren zu bringen, die ihre Macht nach dem Ausmaß ihrer Lüsternheit und Zügellosigkeit bemäßen, für die es, selbst wenn ihr nichts zustoßen sollte, schrecklich wäre, auch nur in ihrem Ruf Schaden zu nehmen, als eine, die unter Leute geraten ist, die ihr etwas anzutun auch nur in der Lage sind. Dieses Argument allein, heißt es, brachte Pompeius wieder ab vom Plan einer Reise zum Euphrat."

Die parallele Stelle bei Lucan liest sich so (VIII 395--416)

sed tua sors leuior, quoniam mors ultima poena est
nec metuenda uiris. at non Cornelia letum
infando sub rege timet. num barbara nobis
est ignota Venus, quae ritu caeca ferarum
polluit innumeris leges et foedera taedae
coniugibus thalamique patent secreta nefandi
inter mille nurus? epulis uaesana meroque
regia non ullis exceptos legibus audet
concubitus: tot femineis conplexibus unum
non lassat nox tota marem. iacuere sorores
in regum thalamis sacrataque pignora matres.
damnat apud gentes sceleris non sponte peracti
Oedipodionias infelix fabula Thebas:
Parthorum dominus quotiens sic sanguine mixto
nascitur Arsacides! cui fas inplere parentem,
quid rear esse nefas? proles tam clara Metelli
stabit barbarico coniunx millesima lecto.
quamquam non ulli plus regia, Magne, uacabit
saeuitia stimulata Venus titulisque uirorum;
nam, quo plura iuuent Parthum tormenta, fuisse
hanc sciet et Crassi: ceu pridem debita fatis
Assyriis trahitur cladis captiua uetustae.

"Aber dein Geschick ist leichter, denn für dich ist die höchste Strafe der Tod, und den fürchten Männer nicht. Auch Cornelia fürchtet nicht den Tod unter einem unsäglichen König. Doch ist denn die losen Sitten der Barbaren uns nicht bekannt, die blindwütig nach Art der Tiere die guten Sitten und den Ehebund mit Vielweiberei besudeln? Daß die Geheimnisse des unaussprechlichen Hochzeitsgemachs offen zu Tage liegen zwischen tausend Frauen? Vom Gelage und vom vom Wein in Raserei versetzt, erlaubt sich die Königshalle alle möglichen, von keinen Gesetzen gezügelten Paarungen: Einen einzigen Mann erschöpft die ganze Nacht nicht mit all den Umarmungen der Frauen. In den königlichen Gemächern haben schon die eigenen Schwestern und, geheiligtes Unterpfand, die eigene Mutter gelegen. Die Geschichte eines unbeabsichtigen Vergehens verurteilt unter den Völkern das Theben des Ödipus: wie oft aber entstammt ein Arsacide als Herrscher über die Parther einer solchen Vermischung. Was, frage ich mich, ist tabu für einen, dem es erlaubt ist, die eigene Mutter zu schwängern? Der berühmte Sproß des Metellus wird die tausendste Frau im Bett des Barbaren sein. Und dabei wird die Lüsternheit des Königs, gereizt durch die Grausamkeit und das Ansehen ihrer frühreren Männer, für keine andere so bereit sein wie für Cornelia; denn damit der Parther seine Grausamkeit besser genießen kann, wird man ihn wissen lassen, daß sie einst Crassus' Frau gewesen ist: wie vom Schicksal den Syrern noch schuldig geblieben, wird man sie als Gefangene einer alten Niederlage betrachten."

Eine weitere Parallele ist Pompeius' Traum vor der Schlacht. Dazu heißt es bei Plutarch (68,2):

τῆς δὲ νυκτὸς ἔδοξε κατὰ τοὺς ὕπνους Πομπήϊος εἰς τὸ θέατρον εἰσιόντος αὐτοῦ κροτεῖν τὸν δῆμον, αὐτὸς δὲ κοσμεῖν ἱερὸν Ἀφροδίτης νικηφόρου πολλοῖς λαφύροις.

"In der Nacht hatte Pompeius einen Traum, in dem ihm, als er das Theater betrat, das Volk applaudierte, und er selbst den Tempel der Venus Victrix mit vielen Beutestücken schmückte."

Daß der Traum von den applaudierenden Theaterbesuchern bei Plutarch wie bei Lucan erwähnt wird, kann schwerlich Zufall sein. Es kommt aber noch besser. καὶ πανικοί τινες θόρυβοι διᾴττοντες ἐξανέστησαν αὐτόν, "und vorbeiziehender tumultuöser Lärm weckte ihn", geht die Passage bei Plutarch weiter. Wenn es bei Lucan nun heißt,

... ne rumpite somnos,
castrorum uigiles, nullas tuba uerberet aures.
crastina dira quies et imagine maesta diurna
undique funestas acies feret, undique bellum.
unde pares somnos populi noctemque beatam?

"zerreißt ihm den Schlaf nicht, Lagerwachen, die Posaune soll keine Ohren drangsalieren. Die fürchterliche, von den Bildern des Tages verzweifelte Stille wird ihn überall tödliche Schlachtreihen sehen lassen, überall Krieg."

dann klingt das wie ein Kommentar zu Plutarch (was chronologisch nicht möglich ist, nur literarisch): Eben der Lärm, von dem Plutarch schreibt, daß er den Feldherrn aus dem Schlaf reißt, soll bitte schweigen, damit Pompeius eine letzte ruhige Nacht verbringen kann. Umgekehrt und chronologisch möglich ist die umgekehrte Folge, daß Plutarch in seinem Text dem Pompeius ziemlich kurzangebunden das Ausschlafen verweigert, das ihm Lucan noch gewünscht hat.

Ein paar Tage später, die Schlacht ist vorbei, erscheint Pompeius bei seiner Gattin auf Lesbos. Sorgen quälen Cornelia, nachts träumt sie von Thessalien, tags läuft sie zum Strand, hält Ausschau nach Schiffen, wagt nicht, nach Nachrichten über Pompeius zu fragen. Bei Lucan ist sie es selbst, die dann eines Tages ihren Mann, verdreckt und abgerissen, aus einem schmalen Kahn steigen sieht. In einer sarkastischen Apostrophe heißt es dann: quid perdis tempora luctus? / cum possis iam flere, times "Was verschwendest du noch Zeit zum Trauern? Während du schon weinen könntest, bist du noch mit Bangen beschäftigt." Bei Plutarch ist es ein Bote, der nicht zu sagen wagt, was passiert ist, den aber seine Tränen verraten. Cornelia schwinden die Sinne, und "als sie wieder zu sich kam", schreibt Plutarch:

συννοήσασα τὸν καιρὸν οὐκ ὄντα θρήνων καὶ δακρύων, ἐξέδραμε διὰ τῆς πόλεως ἐπὶ θάλατταν.

"begriff sie, daß jetzt nicht die Zeit war für Klagen und Tränen und lief durch die Stadt zum Meer."

Das Motiv der Zeitverschwendung ist dasselbe, nur mit unterschiedlicher Ausdeutung. Bei Lucan soll Cornelia keine Zeit mit Bangen verschwenden, sondern gleich mit dem Trauern anfangen; bei Plutarch wäre das Trauern in diesem Moment Zeitverschendung, oder die Zeit dafür ist noch nicht da. Fast klingt es, als hätte Plutarch, der Latein erst im Erwachsenenalter lernte, bei seinen Recherchen das Lucansche Latein nicht verstanden (wofür wir vollstes Verständnis haben).

Zu den Konventionen antiker Geschichtsschreibung gehört, daß Reden frei erfunden sind. Damit wird dem Autor ein erzählerisch-dramatisches Element ermöglicht, das er im Rahmen des feststehenden Anlasses sowie der Folgen der Rede frei ausgestalten kann. Sowohl bei Plutarch als auch bei Lucan wird das Wiedersehen zwischen Pompeius und Cornelia in einem Zwiegespräch gestaltet. Hier findet sich eine weitere Parallele, wenn nämlich Cornelia sich die Schuld am Desaster gibt, weil sie ihrem Mann kein Glück gebracht habe: ihr Fluch sei es, ihren Ehemännern Unglück zu bringen, erst Crassus, jetzt Pompeius. Bei Lucan klingt das so (VIII 88--105):

'o utinam in thalamos inuisi Caesaris issem
infelix coniunx et nulli laeta marito.
bis nocui mundo: me pronuba ducit Erinys
Crassorumque umbrae, deuotaque manibus illis
Assyrios in castra tuli ciuilia casus,
praecipitesque dedi populos cunctosque fugaui
a causa meliore deos. o maxime coniunx,
o thalamis indigne meis, hoc iuris habebat
in tantum fortuna caput? cur inpia nupsi,
si miserum factura fui? nunc accipe poenas,
sed quas sponte luam: quo sit tibi mollius aequor,
certa fides regum totusque paratior orbis,
sparge mari comitem. mallem felicibus armis
dependisse caput: nunc clades denique lustra,
Magne, tuas. ubicumque iaces ciuilibus armis
nostros ulta toros, ades huc atque exige poenas,
Iulia crudelis, placataque paelice caesa
Magno parce tuo.'

'Ach hätte ich doch als unglückbringende Gattin und froh an keinem Mann lieber das Hochzeitsgemach des verhaßten Caesar betreten! Zweimal habe ich der Welt geschadet: mich haben die Erinye und die Schatten der Crassi als Trauzeugen in die Ehe geführt, und infiziert von ihren Manen habe ich die Niederlage in Syrien in die Feldlager des Bürgerkrieges eingeschleppt, alle Völker kopfüber ins Unglück gestürzt und die Götter von der besseren Sache vertrieben. Oh bester Gatte, oh du meiner Gemächer nicht Würdiger, durfte das Schicksal dieses Anrecht auf ein so großes Haupt haben? Warum habe ich Ruchlose geheiratet, wo ich dich doch ins Elend stürzen würde? Nun laß mich die Strafe zahlen, die ich dir freiwillig ableiste: auf daß dir das Meer freundlicher, die Treue der Könige sicher, der ganze Erdkreis bereiter sei, dir zu dienen -- wirf deine Gefährtin ins Meer. Ich wollte, ich könnte mit glückbringenden Waffen dein Haupt einlösen: nun entsühne wenigstens, Magnus, deine Niederlage. Und du, wo auch immer dein Grab sein mag, grausame Iulia: sei hier anwesend, fordere, nachdem du dich mit dem Bürgerkrieg für unsere Ehe gerächt hast, die Strafe; aber schone nach dem Tod deiner Nebenbuhlerin wenigstens deinen geliebten Magnus.'

Und zum Vergleich Plutarch (74,3):

ἀπαντήσαντος δὲ τοῦ Πομπηΐου καὶ δεξαμένου ταῖς ἀγκάλαις αὐτὴν ὑπερειπομένην καὶ περιπίπτουσαν, "Ὁρῶ σε," εἶπεν, "ἄνερ, οὐ τῆς σῆς τύχης ἔργον, ἀλλὰ τῆς ἐμῆς, προσερριμμένον ἑνὶ σκάφει τὸν πρὸ τῶν Κορνηλίας γάμων πεντακοσίαις ναυσὶ ταύτην περιπλεύσαντα τὴν θάλασσαν. τί μ’ ἦλθες ἰδεῖν καὶ οὐκ ἀπέλιπες τῷ βαρεῖ δαίμονι τὴν καὶ σὲ δυστυχίας ἀναπλήσασαν τοσαύτης; ὡς εὐτυχὴς μὲν ἂν ἤμην γυνὴ πρὸ τοῦ Πόπλιον ἐν Πάρθοις ἀκοῦσαι τὸν παρθένιον ἄνδρα κείμενον ἀποθανοῦσα, σώφρων δὲ καὶ μετ’ ἐκεῖνον, ὥσπερ ὥρμησα, τὸν ἐμαυτῆς προεμένη βίον· ἐσωζόμην δ’ ἄρα καὶ Πομπηΐῳ Μάγνῳ συμφορὰ γενέσθαι."

"Pompeius trat ihr entgegen, fing die Taumelnde auf und nahm sie in seine Arme. "Ich sehe dich", sagte sie, "Mann, nicht als das Werk deines Geschicks, sondern des meinen, zurückgeworfen auf ein einziges Schiff, der du vor deiner Hochzeit mit Cornelia dasselbe Meer mit fünfhundert befahren hast. Warum kamst du mich zu sehen und hast mich nicht dem bösen Geist überlassen, mich, die ich auch dich mit so großem Unglück überhäuft habe? Was für eine glückliche Frau wäre ich gewesen, wenn ich gestorben wäre, bevor ich hätte hören müssen, daß Publius, dessen jungfräuliche Braut ich war, bei den Parthern geblieben war, und wie vernünftig, wenn ich nach ihm, wie ich es versucht habe, mein Leben selbst beendet hätte; wie es scheint, wurde ich gerettet, nur um auch Pompeius Magnus Verderben zu bringen."

Und damit lassen wir es mal gut sein mit dem Exkurs. Es gibt noch mehr Parallelen, etwa Caesars seltsames Seeabenteuer; die Art des Begräbnisses, das Pompeius am Ort seiner Ermordung durch einen Diener zuteil wird (davon später mehr); und wahrscheinlich habe ich noch ein paar weitere Parallelen übersehen. Plutarch und Lucan haben sich, so viel ist deutlich geworden, von denselben Quellen für ihre jeweiligen Ausgestaltungen des Dramas um die Schlacht von Pharsalos inspirieren lassen.