Weiter im Lucan

Gliederung bis V 491

  • 214--234 Pompeius' Schlachtaufstellung
  • 235--336 Rede Caesars vor der Schlacht
  • 337--384 Rede Pompeius' vor der Schlacht
  • 385--460 Bedeutung der Niederlage bei Pharsalos für Rom und die Welt
  • 461--491 Beginn der Schlacht

Ja, es ist soweit. Nachdem die aufeinander zumarschierenden Heere den letzten Raum, der das Gefecht noch aufhält, überwunden haben (suprema morantem / consumpsere locum), man könnte hinzufügen: und Lucan die letzten noch verzögernden Verse hinter sich hat, beginnt die Entscheidungsschlacht, deren Ort, Pharsalos, dem ganzen Epos -- Pharsalia -- den Namen gibt. Olymp, Haemus, Pelion, Pindus, die Schluchten des Oetagebirges ächzen und "fürchten sich vor ihrer eigenen Stimme, mit der sie den Krach zurückwerfen": Indem ganz Thessalien vom Schlachtenlärm widerhallt, nimmt sogar die unbelebte Natur Anteil an dem Konflikt. Die Sphäre, die noch von den Wirkungen der Ereignisse erfaßt wird, wächst. Die Berge und Schluchten, die Landschaft, das Unbelebte wird belebt; das Belebte, die Schlacht selbst, wird zum Naturereignis:

... tum stridulus aer
elisus lituis conceptaque classica cornu,
tunc ausae dare signa tubae, tunc aethera tendit
extremique fragor conuexa inrumpit Olympi,
unde procul nubes, quo nulla tonitrua durant.
excepit resonis clamorem uallibus Haemus
Peliacisque dedit rursus geminare cauernis,
Pindus agit fremitus Pangaeaque saxa resultant
Oetaeaeque gemunt rupes, uocesque furoris
expauere sui tota tellure relatas.

"... dann stoßen die Trompeten kreischend Luft aus, die Hörner nehmen das Signal auf, dann trauen sich die Posaunen, das Zeichen zu geben, der Krach spannt die Lüfte und brandet an die Hänge des fernen Olymps, wo die Wolken fern sind, die kein Donner erreicht. Das Haemusgebirge nimmt das Geschrei in seinen widerhallenden Tälern auf und gibt es an die Schluchten des Pelion weiter, der es verdoppelt, der Pindus braust vom Getöse, von den Felsen des Pangäon hallt es wider, die Wände des Oetes ächzen und fürchten sich vor den Stimmen ihres eigenen Lärms, die über das ganze Gebiet getragen werden."

Was vielleicht noch in letzter Minute die Feldherren verhindern könnten, wird durch den Speerwurf eines einzelnen Soldaten -- und des einzigen, der abgesehen von den Anführern namentlich genannt wird -- ausgelöst. Crastinus wirft einen Speer, und dann geht es los. Es ist ein großes Heranzoomen, vom Marsch Caesars auf Rom, der Räumung der Stadt durch Pompeius, Gefechte im Westen, Caesars Zug nach Thessalien, dann endlich Feindkontakt (Aristie des Scaeva), dann doch wieder nicht. Endlich wird Pompeius beschwatzt, loszulegen, das Heer rüstet sich. Erst müssen aber noch Reden gehalten, die Soldaten auf die bevorstehende Prüfung eingeschworen werden. Pompeius' Schlachtaufstellung muß beschrieben werden. Lauter langatmige Dinge, bis es nur noch ein paar Schritte Bodens sind, der die Heere trennt, und am Ende dieser großen, anderthalb Jahre bzw sieben Bücher Versepos dauernden Entwicklung ist es schließlich das ganz Kleine, das Detail, eine einzelne Lanze, ein einzelner Soldat, der die Schlacht eröffnet (ein kleiner Wurf für Crastinus, ein großer Schaden für die Menschheit). Das Große und Zusammengefaßte zerfällt unter der Lupe des Erzählens in einen Speerwurf, gesichtslose Schlachtreihen bekommen einen Namen, und nur einen, der Rest kämpft und quält sich und stirbt anonym in der zusammenfassenden Syntax indirekter Fragesätze. (617--630)

Das große Ganze

Wir sind, in kosmischen Maßstäben gerechnet, als Menschheit gerade rechtzeitig zur Welt gekommen, um noch einige interessante Dinge in Erfahrung bringen zu können. Irgendwann nämlich werden außer unserer unmittelbaren Nachbarschaft, dem, was dann eine Supergalaxie als Verschmelzungsprodukt von Milchstraße und Andromedagalaxie (der sogenannte Milchdromedagalaxie) sein wird, alle anderen Galaxien sich so schnell von uns entfernen, daß ihr Licht uns nicht mehr erreichen kann: Sie werden für immer aus dem beobachtbaren Universum verschwunden sein. Zivilisationen, die dann geboren werden, werden keinerlei Möglichkeit mehr haben, auf so etwas wie den Urknall zu kommen; sie werden ihre Heimatgalaxie für alles halten müssen, was es gibt; sie werden annehmen müssen, daß das Universum statisch ist und ewig. Noch einen Schritt weitergedacht stellt sich die Frage, was uns auf unserer Position auf dem Zeitstrahl der Entwicklung des Universums schon entgangen ist. Es könnten ja Indizien auf eine ganz andere als die bislang vermutete Natur des Kosmos und seiner Entstehung bereits hinter den Horizont des Sichtbaren geglitten sein, die wir noch hätten beobachten können, wenn wir ein paar Milliarden Jahre früher dran gewesen wären. Wir werden es niemals erfahren.