Mehr Hexen

Nun aber ein wenig Fleisch auf die Knochen der Theorie. Thessalische Hexen können:

  • Götter zwingen, die aufmerksamkeit von Göttern herbeiwünschen
  • Liebe verursachen
  • lendenlahmen Greisen zur Potenz verhelfen
  • Gesunde in den Wahnsinntreiben
  • Tageszeiten beeinflussen (Tag oder Nacht verlängern)
  • Wetter beeinflussen
  • Wellen ohne Wind, Wind ohne Wellen verursachen
  • Schiffe gegen den Wind fahren lassen
  • Wasserfälle im Sturz aufhalten
  • Flüssen aufwärts fließen lassen oder ihren Lauf beliebig ändern
  • Berge glätten
  • Schnee mitten im Frost schmelzen lassen
  • Gezeiten aufhalten
  • Erdbeben verursachen
  • Tierverhalten beeinflussen, Tiere zähmen
  • Gestirne vom Himmel holen
  • Mond verdunkeln

Das alles kann Erichtho, die intimen Umgang mit Unterweltsgeistern pflegt und auf Scheiterhaufen und Grabhügeln wohnt, natürlich auch. Dazu setzt sie folgende Praktiken ins Werk:

  • sammelt Blitze
  • verbrennt keimendes Saatgut
  • verbrennt statt gewöhnlicher Opfer Leichenfackeln und vom Scheiterhaufen entwendeten Weihrauch auf dem Altar
  • vergräbt Tiere lebendig in Grabstätten
  • entwendet die Asche junger Verstorbener, schwelende Knochen, Leichenfackeln, im Rauch wirbelnde Stücke des Totenbetts, in Auflösung befindliche Totenhemden, nach Körper riechende Flugasche vom Scheiterhaufen
  • klaubt Mumien die Augäpfel heraus und zieht ihnen die Nägel ab
  • zerbeißt den Strick Gehenkter, pflückt die Leichen vom Galgen und kratzt sie vom Kreuz
  • zerteilt das vom Regen gepeitschte Fleisch, entnimmt das von Sonne gedörrte Knochenmark
  • sammelt Kreuzigungsnägel
  • fängt Verwesungsflüssigkeit und Fäulnisgifte auf
  • schreckt auch vor Mord nicht zurück, wenn ein Zauberrezept frisches Blut verlangt
  • reißt die Leibesfrucht aus dem Bauch von Schwangeren, um sie zu opfern
  • reißt den ersten Bartflaum verstorbener Jugendlicher aus und schneidet ihr Haar ab (mit der linken Hand, versteht sich).

Nunja, im Grunde erwartbar. Alles kreist um Tod und Verwesung. (Bis auf die Blitze) Aber Lucan wäre nicht Lucan, wenn er den Grusel nicht auf die Spitze treiben würde. Hier ein schönes Exempel (soweit ich bis jetzt gelesen habe, 664--669):

saepe etiam caris cognato in funere dira
Thessalis incubuit membris atque oscula figens
truncauitque caput conpressaque dentibus ora
laxauit siccoque haerentem gutture linguam
praemordens gelidis infudit murmura labris
arcanumque nefas Stygias mandauit ad umbras.

"Oft legt sich die abscheuliche Thessalierin sogar auf die teuren Glieder eines verstorbenen Verwandten, drückt Küsse auf den Leichnam, mißhandelt dabei den Kopf und öffnet dem Toten mit ihren hineingeschlagenen Zähnen das Gesicht, und nachdem sie die in der trockenen Kehle haftende Zunge abgebissen hat, träufelt sie Zaubergemurmel zwischen die eiskalten Lippen und gibt den Schatten der Unterwelt geheimes Verbrechen in Auftrag."