"In Anhang V der BPR werden Biozidprodukte in 22 Biozidproduktarten eingestuft, die wiederum in vier Hauptgebiete zusammengefasst werden."

Von einer peniblen Klassifikation geht immer eine Beruhigung aus. Schaut, wir haben die Dinge gezählt und nach Gruppen geordnet, wir haben für jede Gruppe Grenzwerte, Vorschriften, Verhaltenskataloge erstellt, wir haben Hinweistafeln konzipiert und Kürzel zum Aufdruck auf Verbraucherpackungen. Es ist alles unter Kontrolle, kein Ding entwischt unserer engmaschigen Taxonomie, und wenn kein Ding unserer Taxonomie entwischt, dann entwischt es auch nicht den Verordnungen, Regeln und Gesetzen, unter die es ausweislich seiner taxonomischen Einordnung fällt. Der menschliche Ordnungssinn ist erstaunlich. Eigentlich nicht erstaunlich, was man alles klassifizieren kann -- aber wie jede gute Idee ist auch der Einfall, einen Ausschnitt der uns umgebenden oder von uns geschaffenen Welt einer strengen Taxonomie zu unterwerfen, erst rückblickend einleuchtend und simpel. Von PT1/menschliche Hygiene (Bei den Produkten dieser Produktart handelt es sich um Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene verwendet und hauptsächlich zum Zwecke der Haut- oder Kopfhautdesinfektion auf die menschliche Haut bzw. Kopfhaut aufgetragen werden oder damit in Berührung kommen) bis PT22/Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Taxidermie ist alles, was irgendein Leben zweckmäßig tötet, aufgelistet und in Schubladen sortiert: Hauptgruppe 1 Desinfektionsmittel (darin "Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind" und die simple Kategorie "Trinkwasser", Desinfektionsmittel für Trinkwasser), Hauptgruppe 2 Schutzmittel (darin das beruhigende PT12, Schleimbekämpfungsmittel), und so geht es weiter bis Hauptgruppe 4 Sonstige Biozidprodukte, letztere ein wenig unbefriedigend, denn keine Klassifikation ist vollständig, in der es Reste gibt, Restkategorien sind ein Ausdruck von Ratlosigkeit und mangelhaftem kognitiven Zugriff, wenn sie nicht sogar ein Einfallstor sind für das ganze Gebäude unterwandernde Fremdkörper. Denn letzten Endes ist die Restkategorie genau die Stelle, wo ein Ding eben doch der Klassifikation entwischt. Denn alles, was in die Restkategorie fällt, ist ja per definitionem anderweitig nicht klassifizierbar -- und führt also die Klassifikation selbst ad absurdum.


Lucan, V 374

(iuventutem) decumis castris Brundisium attingere iubet "mit dem zehnten Lager" also "in neun Tagen"

382 (servire) togae: wieder eine dieser reizenden Metonymien. Steht hier für denjenigen, der sie trägt, i.e. der Privatmann, der Bürger. (Über Caesar, dem alle in Rom gehorchen, obwohl er über keinerlei Amtsgewalt verfügt.) Vgl. III 108 privatae vocis (testes)

385 omnis voces "alle Stimmen" --> "alle (Amts-)Titel"

392 fingit sollemnia Campus "das (Mars-)Feld" --> "die Volksversammlung" (Vgl. "der Kreml" --> "die russische Regierung")

Deutlich jetzt die Haltung der Erzählstimme zu Caesar. Das Prozedere, mit dem der Feldherr sich zum Consul und Dictator ausrufen läßt, ist eine Farce; die Zeiten sind "traurig" (maesta tempora, der gleiche Wortstamm wie für die Beschreibung der Stadt, in die der neue Herrscher Einzug hält, durch Lentulus verwendet, vgl. III 30, maerentia tecta; die Urne ist leer; das Volk ist gar nicht zur Abstimmung zugelassen. Was hier abgezogen wird, ist die bloße Show, das Spektakel einer Republik. Dieser Befund wird noch unterstrichen durch die Metonymie Campus; indem das Marsfeld selbst täuscht, beraubt, aufruft und die leere Urne schüttelt, bekommt der Vorgang etwas Gespenstisches und Seelenloses. Nur ein Augur wird genannt, der "sich taub stellt" gegen das unheilverkündende Donnern; das nächste Verb ist im Passiv, die von der falschen Seite fliegende Eule "wird aufgefaßt" als gutes Zeichen. Auch hier keine handelnde Person. Nur der Schatten Caesars, der das alles in Gang gesetzt hat. Die Stelle schließt an 113f an, wo es heißt, die Herrschenden fürchteten die Zukunft so sehr, daß sie die Orakel verboten. Hier kommt das Vorzeichen ungerufen, wird aber ignoriert. Vgl. auch die Anfangsszene bei der Überquerung des Rubicon, I 202ff, wo Caesar die warnende Erscheinung der personifizierten Roma zwar nicht ignoriert, sich aber ihr gegenüber nicht ohne Selbstbewußtsein rausredet, er komme nicht als Feind Roms.

397f (perit) ... quondam veneranda potestas / iuris inops "So geht zum erstenmal die einst verehrungswürdige Amtsgewalt, beraubt ihrer Rechte, zugrunde". Das schließt unmittelbar an die Rede des Lentulus zu Beginn von Buch V an (29f): non umquam perdidit ordo / mutato sua iura solo "Unser Stand hat niemals seine Rechte verloren." Doch, hat sie, de facto, denn was ist das Recht ohne die Gewalt, es durchzusetzen? In Rom sitzt Caesar, nicht Pompeius, und Caesar wird da hockenbleiben bis zu seiner Ermordung und der nächsten Runde Bürgerkriege. -- Interessant ist, wie hier mit dem Begriff des Rechts (ius) gespielt wird. Für Lentulus ist es etwas Unveräußerliches, das der Rechtsträger auch dann besitzt, wenn ihm die Mittel fehlen, es einzuklagen; die Erzählstimme ist realistisch, für sie ist ius durchaus verlierbar oder bestreitbar, es reicht, daß einer wie Caesar kommt und Tatsachen schafft.

402 (Feriae) Latinae: Die Bundesfeier aller latinischen Städte auf dem Albanerberg. (Der neue Pauly s.v. Feriae Latinae). Die Feriae Latinae mußten vom Consul gleich nach Amtsantritt angesagt werden; erst danach durfte er seine Amtsgewalt als Heerführer ausüben. Das heißt, die Farce bei Caesars "Consulat" wird in allem Pomp durchgespielt. Interessant, daß ein Jahr zuvor, I 550, dieselbe Feier durch Natureireignisse gestört wurde, vgl. den langen Katalog der warnenden Vorzeichen in Buch I (526--583):

... Vestali raptus ab ara
ignis, et ostendens confectas flamma Latinas
scinditur in partes geminoque cacumine surgit

"vom Vestaaltar wird das Feuer fortgerissen, und die Flamme, die das Ende der Feriae Latinae anzeigt, spaltet sich und steigt mit einer Zwillingszunge empor."