Weiter im Lucan (VIII 33--108)

Wiedersehen auf Lesbos

Die Schlacht ist verloren, Pompeius geflohen. Das Hilfangebot der Larissäer lehnt er ab, gelangt undercover zum Ägäischen Meer und schifft sich auf einem kleinen, kaum seetüchtigen Kahn nach Lesbos ein. Auf der Insel kommt es dann zu einem Wiedersehen mit der Gattin, das man nur als verunglückt bezeichnen kann. Treffsicherer an einander vorbeireden kann man wohl nicht. Wie Pompeius Cornelia ermahnt, sich zusammenzureißen, ohne auf ihre Gefühle achtzugeben; wie Cornelia ihrerseits gar nicht hört, was Pompeius ihr sagt, sondern völlig irrelevante Selbstanklage führt, diese zwei aufeinandertreffenden Monologe überhaupt eine Begegnung zu nennen, scheint verfehlt. Pompeius (VIII 72--85): Was brichst du mir hier gleich zusammen, beim ersten Kratzer (volnere primo)? Das ist einer Tochter so glänzender Vorfahren nicht würdig. Überhaupt, du hast hier die Gelegenheit, unsterblichen Ruhm zu erwerben, also reiß dich zusammen. -- Schon das ist nicht nett. Unsterblicher Ruhm, Vorfahren -- Scheiße, Alter, du hast verloren, was passiert jetzt mit uns? Aber Pompeius setzt noch eins drauf, wenn er seiner Gattin auseinandersetzt, für Frauen sei ein tragisch scheiternder Gatte die einzige Quelle für Ruhm:

laudis in hoc sexu non legum iura nec arma,
unica materia est coniunx miser.

"'Lob können Frauen weder durch Ämter noch durch militärischen Erfolg erwerben, ihre einzige Chance auf Ruhm ist ein gescheiterter Ehemann.'"

Kein Witz. Aber es kommt noch dicker. ... et ipsum / quod sum victus ama, "... und liebe, daß ich unterlag." Und weiter:

... ultima debet
esse fides lugere uirum. tu nulla tulisti
bello damna meo: uiuit post proelia Magnus
sed fortuna perit. quod defles, illud amasti.

"Die äußerste Treue muß darin bestehen, um deinen Mann zu trauern. Du hast durch meinen Krieg keinen Schaden genommen: Ich lebe nach den Kämpfen ja noch; (nur) mein günstiges Geschick ist dahin. Dasjenige aber, das du beweinst, hast du geliebt."

Mit anderen Worten: Wenn du hier flennst, dann hast du nicht mich geliebt sondern nur meinen Erfolg. -- Mh. Trösten geht wohl anders.

Und was macht wohl eine Frau in dieser Situation? Richtig, sie gibt sich selbst die Schuld:

o utinam in thalamos inuisi Caesaris issem
infelix coniunx et nulli laeta marito.
bis nocui mundo: me pronuba ducit Erinys
Crassorumque umbrae, deuotaque manibus illis
Assyrios in castra tuli ciuilia casus,
praecipitesque dedi populos cunctosque fugaui
a causa meliore deos. o maxime coniunx,
o thalamis indigne meis, hoc iuris habebat
in tantum fortuna caput? cur inpia nupsi,
si miserum factura fui?

"'Ach hätte ich doch als unglückbringende Gattin und froh an keinem Mann lieber das Hochzeitsgemach des verhaßten Caesar betreten als deines! Zweimal habe ich der Welt geschadet: mich haben die Erinye und die Schatten der Crassi als Trauzeugen in die Ehe geführt, und infiziert von ihren Manen habe ich die Niederlage in Syrien in die Feldlager des Bürgerkrieges eingeschleppt, alle Völker kopfüber ins Unglück gestürzt und die Götter von der besseren Sache vertrieben. Oh bester Gatte, oh du meiner Gemächer nicht Würdiger, durfte das Schicksal dieses Anrecht auf ein so großes Haupt haben? Warum habe ich Ruchlose geheiratet, wo ich dich doch ins Elend stürzen würde?'"

Überzeugend war schon nicht, was die Erzählstimme VII 706 behauptete, nämlich, daß Siegen für Pompeius schlimmer gewesen wäre. Irgendwie scheint aber Pompeius den Erzähler gehört zu haben, denn was er gegenüber Cornelia absondert -- klingt das nicht wie aufgeschnappt, einstudiert und aufgesagt? flere veta populos heißt es in der Apostrophe VII 707, "verbiete den Völkern zu weinen" und weiter: tam mala Pompei quam prospera mundus adoret, "die Welt soll Pompeius' Unglück ebenso huldigen wie seinem Glück". Nun, die erste, der Pompeius dann wirklich das Weinen verbietet, ist seine eigene Frau.