Pompeius gibt dem Drängen seiner ungeduldigen Soldaten, dem Drängen der Verbündeten nach, obwohl er weiß, daß es ein Fehler ist, die Schlacht zu suchen. Man bekommt den Eindruck, der Mann ist müde, er will es hinter sich haben. Er glaubt nicht mehr an einen Sieg, gleich ob er jetzt in die Schlacht geht oder die Auseinandersetzung weiter aufschiebt. Einmal muß es ja doch sein, also warum nicht jetzt. Das ganze noch vor dem Hintergrund des Traumes, der, wiewohl dem Träumenden einen Triumph vorspielend, eine melancholische Wirkung gehabt haben dürfte. Oder die Mutmaßungen der Erzählstimme über den Traum werden von Pompeius geteilt: der Traum ist ein schlechtes Zeichen, er zeigt, was nicht mehr ist, es ist sozusagen ein ironischer Traum.
Schließlich ergreift noch Cicero (der Anwalt, ehemalige Consul und Senator hat zusammen mit Pompeius Italien verlassen, als Caesar auf Rom marschierte) das Wort und versucht Pompeius in einer flammenden Rede anzustacheln. Doch außer Redetricks hat er nicht viel zu sagen. Seine Argumente für eine Schlacht sind: Pompeius ist vom Glück begünstigt; der Zustand, in den Caesar die Welt gestürzt hat, ist unhaltbar, muß beendet werden; die von Caesar bislang unterworfenen Völker wollen befreit sein. Das ist alles. Was will man auch von einem Anwalt und Politiker erwarten? Strategische Überlegungen gewiß nicht. Nicht nur hat Cicero keine sachlichen Argumente, er greift auch noch zu üblen rhetorischen Kniffen. Hier ist der erste (71):
"Dir zu Füßen bitten wir dich: Laß zu, daß dein Schwiegervater (= Caesar, dessen Tochter Iulia war bis ihrem Tod 54 v. Chr. Pompeius Ehefrau) besiegt wird."
Die Präsupposition der Formulierung ist: Der Sieg liegt in deiner Hand, du mußt ihn nur zulassen. Ein Wink von dir, und Caesar ist nicht mehr.
"So lange Zeit wird Caesar Krieg für das Menschengeschlecht bedeuten? Zu Recht sind die Völker, die quasi im Vorbeigehen unterworfen worden sind, empört darüber, daß Pompeius so langsam siegt."
Auf gut Deutsch: daß Du, Pompeius, so ein Lahmarsch bist, während Caesar all die Völker en passant erledigt hat. Das ist kein Argument, das ist ein Appell ans Ehrgefühl. Kann man machen, fein ist das nicht. In dieselbe Kerbe schlägt der nächste Vers:
"Wo ist dein Biß geblieben, wo dein Vertrauen ins Schicksal?"
Früher warst du nicht so ein Schlappschwanz.
Der nächste Trick: Rechtmäßigkeit und Durchsetzungskraft miteinander verwechseln. Cicero tut so, als genüge es, die rechte Sache zu vertreten (also die Sache des Senats von Rom), denn die Götter können ja wohl nicht zulassen, daß die gerechte Seite unterliegt. (Können sie aber eben doch.)
Zu guter Letzt noch ein suggestives Bild: Pompeius solle aufpassen, daß die Soldaten nicht ohne ihn in die Schlacht zögen und ihn allein zurückließen. pudeat vicisse coactum "es ist schmachvoll, zum Siegen gezwungen zu werden." In diesem grotesken Bild steht Pompeius noch unter dem allerletzte Gefreiten. Das Heer nimmt die Sache in die Hand, die Soldaten, allesamt mutiger als Pompeius, siegen ohne ihren Feldherrn. Ja, ist denn das noch Pompeius' Sieg? Man muß nicht glauben, daß Pompeius solche Tricks nicht durchschaut. So zwingend das Bild des Heeres, das seinem Feldherrn vorausläuft, auch ist, so unwahrscheinlich und hergeholt ist es auch. Damit kann man vielleicht ein Schwurgericht überreden, keinesfalls aber einen Gnaeus Pompeius. Wenn Pompeius sich schließlich zum Gefecht durchringt, so ist das gewiß nicht die Leistung von Cicero und seiner Demagogie.