Kirschen, die eigentlich Pflaumen und Pflaumen, die eigentlich Aprikosen sind. An der Gattung Prunus läßt sich wunderbar beobachten, was mitunter für ein Chaos entsteht, wenn traditionelle Bezeichnungen und Linnésche Erbsenzählerei aufeinandertreffen. Dabei gehören Erbsen nicht einmal zur gleichen Familie. Womit wir schon mittendrin wären. Die Gattung Prunus gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae), unter deren 90 Gattungen mit insgesamt etwa 3000 Arten sich nicht nur Rosen und Hagebutten (Hagebutten sind Rosen) finden, sondern auch das ganze einheimische Steinobst, Äpfel (Malus domestica), Birnen (Pyrus communis), Quitten (Cydonia oblonga), Brom- und Himbeeren (Gattung Rubus), sowie zahlreiche Wildpflanzen wie Schlehe (Prunus spinosa), Weißdorn (Gattung Crataegus), Eberesche (Sorbus aucuparia), Mehlbeere (Gattung Sorbus) oder auch der Wald-Geißbart (Aruncus dioicus). Auch die Erdbeere (Fragaria) gehört dazu. Die Gattung Prunus ist so artenreich, daß die Linnéschen Stufen von Art, Gattung, Familie, Ordnung innerhalb der Gattung um die Zwischenstufen Untergattung und Sektion erweitert werden. Die so feiner unterteilte Gattung enthält die Untergattungen Prunus, Cerasus, Amygdalus und Emplectocladus. Neben der namensgebenden Pflaume (Prunus domestica) findet man dort in der Untergattung Cerasus auch allerlei Kirschen, natürlich auch die vertrauten Süß- (Prunus avium) und die Sauerkirsche (P. cerasus. Daß die Gattung Prunus eine Untergattung Prunus hat, ist hübsch und führt zu Aussagen wie "Die Schlehe ist ein Strauch in der Familie der Rosengewächse, Gattung Prunus, Untergattung Prunus, Art: spinosa". Noch hübscher ist, daß die Untergattungen noch einmal in sogenannte Sektionen unterteilt werden, im Falle der Schlehe darf man dann sagen, "Familie Rosengewächse, Gattung Prunus, Untergattung Prunus, Sektion Prunus, Art: spinosa. Die Sektionen wiederum ... nein, Quatsch, innerhalb der Sektionen gibt es nur noch die einzelnen Arten. Wir können also eine schöne Tabelle basteln:

  • Prunus (Gattung)
    • Prunus (Untergattung)
      • Armeniaca (Sektion; Aprikosen, Aprikosen!)
      • Microcerasus (Sektion)
      • Penarmeniaca (Sektion)
      • Prunus (Sektion; hier gibt's die Pflaumen und Mirabellen)
      • Prunocerasus (Sektion)
    • Cerasus (Untergattung)
      • Cerasus (Sektion; hier gibt's die Kirschen)
      • Laurocerasus (Sektion; ja, der blöde Kirschloorbeer ist auch eine Pflaume)
    • Amygdalus (Untergattung; lecker Mandeln! Und: Pfirsiche, also Mandeln, bei denen das fleischige Äußere eßbar ist)
    • Emplectocladus (Untergattung; arkane Botanik Nordamerikas)
Und die Erbsen? Das sind Schmetterlingsblütler und obendrein Hülsenfrüchte (nein, keine Schoten), aber dazu ein andermal mehr.

Weiter im Lucan. Nachdem der Sturm in der Adria geradezu kosmische Ausmaße angenommen hat, kehrt Lucan wieder zu menschlichen Maßstäben zurück und zu Beschreibungen, die das Rasen der Elemente greifbarer machen als irgendein Knirschen im Himmelsgewölbe (V 638--641):

quantum Leucadio placidus de uertice pontus
despicitur, tantum nautae uidere trementes
fluctibus e summis praeceps mare; cumque tumentes
rursus hiant undae uix eminet aequore malus

Wellen, von deren Scheitel man wie von einem Berg auf die ringsum tobende See hinabblicken kann; Wellen, die höher als der Mast des Schiffes aufragen -- darunter kann man sich was vorstellen, das ist aufs menschliche Maß heruntergebrochen.

V 685 nullusne tuorum / emeruit comitum fatis non posse superstes / esse tuis? Das ist wieder so ein Satz, den man gleichzeitig von hinten, von vorne und von der Mitte aufrollen muß. Und dann auch noch eine doppelte Verneinung (nullusne ... non posse). Der Kontext: Die durch Caesars nächtliches Verschwinden besorgten Kameraden machen dem Zurückgekehrten Vorwürfe, er habe sein Leben, von dem so viel abhänge, leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Also, das Gerüst ist nullusne ... emeruit ... non posse ... esse, "Hat denn keiner verdient, nicht sein zu können?" nullus hat das Genitivattribut comitum, also "keiner von den Gefährten"; das Prädikatsnomen zu esse ist superstes "Zeuge" und "Überlebender"; superstes konstruiert oft mit Dativ, also hier mit fatis tuis, "Überlebender deines Schicksals". Um die verquaste doppelte Negation in rhetorischer Frage aufzulösen, stellt man sich einfach die der rhetorischen Frage zugrundeliegende Behauptung vor, also "keiner hat verdient", dann erhält man: "Keiner deiner Gefährten hat verdient, dein Schicksal überleben zu können!" Oder vielleicht: "zu dürfen". Andersherum: Wir haben es alle verdient, vor dir zu sterben."






Schöne Geschichte um die Rosengewächse. Ich vermutete zuerst einen direkten Ausflug zur Myrobalane, der Kirschpflaume. Aber Sie holen weit aus. Die haben es auch wirklich verdient.