Wetter und Himmel, Naturgewalten überhaupt: Je weiter man liest, desto mehr scheinen solche Beschreibungseinschaltungen zum festen Inventar dieser Dichtung zu gehören. Bislang gab es böse Vorzeichen (I 526--583), Flut (IV 48--120) und Rückkehr schönen Wetters (121--135), und jetzt eben Meeressturm. Klappern gehört zum Handwerk, möchte man sagen, Hyperbole zum Handwerk des Epikers. Schon allein, daß unter den Winden (Aquilo, Corus, Boreas, Eurus, Notus, Nord-, Nordwest-, nochmal Nord-, Südost-, Südwind, resp.) alle Himmelsrichtungen vertreten sind (jeder weht aus seiner vertrauten, solita de parte, Richtung), macht deutlich, daß hier alles andere als eine naturalistische Beschreibung angestrebt wird. Stattdessen bekommen wir eine poetisch überhöhte Schilderung, deren Überzeichnung poetisch wahrer ist als die Wirklichkeit. Sogar die Meere vermischen sich, das Tyrrhenische läuft in die Ägäis über, im Ionischen Meer tönt die Adria. Berge gehen unter, gegen die die Wellen so oft vergebens brandeten, im Meer tun sich Furten bis zum verborgenen Grund auf, der eine Wind peitscht die Wellen gegen die Klippen, ein anderer stößt sie wieder zurück, und sogar der die Erde umfassende Ozean trägt seinen Teil zum Getümmel bei. Bei Lucan lesen wir auch zum erstenmal in der Geschichte von Monsterwellen (620): a magno venere mari, mundumque coercens / monstriferos agit unda sinus ... Es herrscht Dunkelheit, aber es ist nicht die Dunkelheit der Nacht, die Luft selbst ist von der Blässe des Totenreiches eingeschlossen und opak; das furchterregende Licht selbst stirbt, keine Blitze erhellen die Schwärze, die wolkige Luft teilt sich zur Dunkelheit. Zuletzt knirschen noch die kosmischen Getriebe, der Himmel wackelt, die Achse ächzt, die Natur fürchtet sich vor der Rückkehr des Chaos und der Nacht, die "die Schatten der Unterwelt mit den Göttern vermischen". Viel schlimmer kann es eigentlich nur noch beim Vakuumzerfall kommen.


Lange Zeit habe ich Neutronensterne nicht verstanden. Na ja, das ist insofern kaum verwunderlich, als nicht einmal Astrophysiker Neutronensterne vollständig verstanden haben. Ich habe aber etwas ganz Grundlegendes über Materie und Gravitation nicht verstanden. Vereinfacht gesagt, entsteht ein Neutronenstern, wenn im Innern eines Sterns einer bestimmten Mindestmasse am Ende seines Lebens die Kernfusion zum Erliegen kommt. Ein Stern ist nur deswegen stabil, weil sich zwei Kräfte die Waage halten: die Kernfusion erzeugt einen Strahlungsdruck nach außen; die eigene Schwerkraft einen Druck nach innen. Fällt der Strahlungsdruck weg, wird der Gravitation nichts mehr entgegengesetzt, der Stern fällt buchstäblich in sich zusammen und bildet eine sehr dichte Kugel, bei der die Materie etwa so stark zusammengequetscht wird, als ballte man die Masse unserer Sonne zu einer Kugel von 20 bis 30 km Durchmesser. Also sehr, sehr dicht. (Die Sonne hat einen Durchmesser von 1.392.684 km.) Was ich nicht verstanden habe, war: Gibt es denn keine, sagen wir mal Rückstellkraft, die den Kollaps irgendwann aufhält? So daß also alles wieder zurückschnellt und ein zwar kompakter, aber wenig rätselhafter Klumpen übrig bleibt? Die Antwort ist, es gibt eine solche Kraft, man nennt sie Entartungsdruck, und sie beruht auf dem sogenannten Pauli-Prinzip, demzufolge niemals zwei identische Fermionen (Teilchen, die einen halbzahligen Spin haben, egal. Dazu gehören alle Teilchen, aus denen Materie besteht) am selben Ort vorkommen können. Ich habe mich weiter gefragt, warum sich der extrem dichte Klumpen nicht einfach wieder entspannt, wie ein Softball, wenn die Hand, die ihn zusammendrückt, ihn losläßt. Die Antwort ist einfach: die Hand in diesem Beispiel ist die Gravitation, und die läßt den Stern nicht los. In seinem Innern ist der Druck so hoch, daß die Elektronen der Atome von den Protonen eingefangen werden und sich unter Abgabe eines Neutrinos in Neutronen umwandeln (Betazerfall), daher der Name "Neutronenstern". Es läuft eben darauf hinaus, daß sich in diesem Universum nicht beliebige Mengen an Materie auf einem Fleck versammeln können, ohne daß merkwürdige Dinge passieren. Das heißt, auch eine Eisenkugel (aus bestimmten Gründen ist die Kernfusion höherer Elemente als Eisen ein energieverbrauchender Prozeß, der von allein nicht stattfindet) von der acht- bis zwölffachen Masse der Sonne wäre nicht stabil, wenn irgendwer es schaffen sollte, so viel Eisen auf einen Fleck zu werfen: die Kugel würde ebenso implodieren wie ein Stern am Ende seines Lebens und einen Neutronenstern bilden.