Lucan V 515--531

Man muß bei der Schilderung, wie Caesar die Hütte des epirotischen Fischers aufsucht, sofort an den Topos des Götterbesuchs (Philemon und Baucis, Ceres in Eleusis) denken: die Bescheidenheit, aber auch die Unabhängigkeit dessen, der nichts zu verlieren hat, von den Großen der Welt; die ungezwungene Hilfsbereitschaft, das Motiv der (in Aussicht gestellten) Belohnung. Die Frage ist, was soll diese Episode? Caesar als Gott darzustellen? Wohl nicht. Das Ideal eines genügsamen Lebens frei von Machtstreben, Besitz und Herrschaft vorzustellen, sozusagen als Relikt eines verflossenen goldenen Zeitalters? "Oh vergessenes Göttergeschenk". heißt es da:

... o munera nondum
intellecta deum! quibus hoc contingere templis
aut potuit muris, nullo trepidare tumultu
Caesarea pulsante manu?

"Hinter welchen Mauern und Tempeln hätte er [der Fischer] es wohl geschafft, nicht von innerem Aufruhr zu zittern, wenn Caesar an seine Tür klopft?" (Oder, je nachdem, ob man quibus auf templis ... aut ... muris bezieht oder als Fragepronomen liest: "Wem könnte, hinter Tempeln und Mauern, gelingen, etc.")

Caesar ist kein Gott, und er bittet auch nicht, er befiehlt; was ihn, gekleidet in einen einfachen Mantel, in dieser Szene vom Fischer unterscheidet, ist seine Sprache:

sic fatur, quamquam plebeio tectus amictu,
indocilis priuata loqui. ...

Der Fischer hat keinen Herrn über sich, er ist sein eigener Herr. Wenn Caesar ihm die Überfahrt nach Italien befiehlt, weiß er ganz genau, daß er auf den Fischer angewiesen ist, nicht umgekehrt. Beide wiederum sind machtlos gegen die Natur, wie der Fischer nach einer langen Aufzählung schlechter Wetterzeichen den Heerführer sanft belehrt:

sed, si magnarum poscunt discrimina rerum,
haud dubitem praebere manus: uel litora tangam
iussa, uel hoc potius pelagus flatusque negabunt.

"Aber wenn die Engpässe der großen Geschehnisse es erfordern, dann will ich nicht zögern, mich einzubringen. Entweder ich schaffe es an die von dir befohlene Küste, oder, wenn nicht, dann werden es Meer und Wind vereiteln." Womit klargestellt ist: Mir kannst du befehlen, Caesar, nicht dem Wind und den Wellen.

Das vergessene Göttergeschenk -- das wahre Göttergeschenk! In einer einfachen, aus Binsen geflochtenen Hütte mit einem umgedrehten Boot als Tür sitzen, alles haben, was zum Leben nötig ist und die Mächtigen nicht fürchten müssen. Ja, Caesar tritt auf wie ein Gott, wie Zeus bei Philemon und Baucis, wie Ceres bei Celeus, aber was er zu bieten hat, ist gerade nicht das Göttergeschenk. Caesars Auftritt als Quasi-Gott ist nur ein weiterer Akt der Usurpation, ein Zeichen seiner Hybris.


Interessante Tatsache beim formidablen FF gelesen. Der zitiert eine Studie über das Mißverhältnis zwischen den Empfehlungen, die manche Regierungen den Bürgern zur Minderung des Kohlendioxidausstoßes geben, und den Maßnahmen, die tatsächlich am meisten CO2 einsparen. Unter letzteren liegt vorne, aber nicht ganz vorne, auf Platz zwei: Auf einen Transatlantikflug pro Jahr verzichten. Platz drei: autofrei leben. Danach kommen Maßnahmen, die nur noch wenig bringen: auf Wäschetrockner verzichten, Energiesparlampen benutzen, etc. Und was liegt auf Platz eins? Ein Kind weniger in die Welt setzen.