(Weiter in der Rede Caesars an die meuternden Soldaten)
Lange gegrübelt, was das heißen soll. Schon die sprachliche Deutung macht Probleme: "Eure Treue (wäre? ist?) für mich nicht besser, wenn ihr Kriege weder mit mir als Feldherrn noch mit mir als Feind führt (Präsens Indikativ). Wer auch immer meine Feldzeichen verläßt und dann seine Waffen nicht Pompeius' Partei anbietet, der will niemals mein Mann sein." Das Lateinische ist eine Sprache ohne Schleifchen, jede Aussage muß mit einem Minimum an Zeichen auskommen. Das bedeutet für den modernen Leser (aber auch für einen zeitgenössischen Leser, der aus einem anderen sprachlich-literarischen Kontext stammt, etwa dem des griechischen) bedeutet das die Aufgabe, interpretierend das zu restituieren (quasi aufzuklappen), was im knappen Ausdruck weggelassen oder nur impliziert (quasi eingefaltet) ist. Dazu gehört für deutschsprachige Leser, daß sie beispielsweise Fokuspartikeln wie erst, noch, schon, nur, doch und ja, oft aber auch ganze Modalverben ergänzen müssen. Im oben angeführten Abschnitt fehlt gleich mal eine Form von esse und damit die Information über Tempus und Modus. Erst das Verb geritis gibt Auskunft, daß der si-Satz als Realis zu verstehen ist. Intuitiv würde man die Stelle als verquaste Formulierung des Dictums lesen wollen, Wer nicht für mich ist, ist wider mich. Aber wenn man genau hinschaut, steht das da nicht. Ich versuche eine andere Paraphrase: "Ihr steht vor mir keinesfalls besser da, wenn ihr euch entscheidet, weder mit mir zu kämpfen noch gegen mich. Wer mich verläßt, ohne sich Pompeius anzuschließen, konnte mein Mann nicht gewesen sein." Was das numquam vult esse meus schon arg strapaziert. Vielleicht so: "wer .... der hat es nie ernst mit mir gemeint, der will niemals mein Mann gewesen sein." (Caesar spricht seinen Legionären damit rückwirkend Treue und Engagement ab, eine Beleidigung und Provokation mit dem Zweck, das Ehrgefühl der Zurechtgewiesenen zu triggern.) Und noch freier: "Mit so unentschiedenen Lappen kann ich nichts anfangen; wenn ihr Männer seid, dann bleibt hier oder geht zu Pompeius, aber wenn ihr hier einen auf Neutralität und Frieden macht, dann war eure bisherige Treue wertlos, steht eure ganze bisherige Tapferkeit in einem fragwürdigen Licht da, habt ihr bei mir erworbene Ehre und Ansehen verspielt."
Dazu noch V 358: tradite nostra uiris ignaui signa Quirites. "(verlaßt das Lager und) übergebt als bräsige Bürger unsere Feldzeichen (echten) Männern." -- (Dunkel erinnere ich mich an ein Proseminar mit Peter Frisch (Uni Köln), wo von dieser oder einer anderen Stelle die Rede war. Ausgehend von einem ganz anderen Text, erklärte der Dozent uns damals, die Anrede Quirites sei der springende Punkt; damit werde ein Assoziationsfeld aufgemacht, das ein echter Soldat niemals für sich akzeptieren könne; damit habe Caesar seine Legionäre in dieser riskanten Lage noch einmal herumgekriegt. Seitdem muß ich jedesmal, wenn ich den Ausdruck Quirites irgendwo lese, an dieses Seminar denken. Es ist durchaus faszinierend und auch rührend, wie einem die Lektüre Jahre und Jahre später genau die Textstelle unter die Augen bringt, die dereinst in einem Proseminar erwähnt wurde, und deren Quelle man natürlich längst vergessen hatte.)