Lucan V 141-246: Appius (Appius Claudius Pulcher, Konsul 54 v. Chr., Unterstützer Pompeius, von diesem als Statthalter Achaeas eingesetzt; starb noch vor Pharsalos 48 auf Euböa) läßt sich in Delphi weissagen und erhält den Bescheid, er werde von Kriegen unbehelligt auf Euböa seine Ruhe haben. Natürlich mißversteht er die Weissagung, hält sich schon für den neuen Herrscher von Chalcis und begreift nicht, daß es die Ruhe des Todes ist, die ihn erwartet.
Schaum vorm Mund, Augenrollen, unartikuliertes Schreien, Krämpfe -- besessen zu sein, ist kein schönes Erlebnis, und sei man auch besessen von einem Gott. Der Kontakt mit dem Göttlichen, dem Numen, gleicht literarisch in mancherlei Hinsicht dem Kontakt mit Geistern und Verstorbenen, wie wir sie aus neuzeitlichen Narrativen kennen. Indem bei Lucan ein Götterapparat fehlt, lernen wir niemals die rationale, auf Menschenmaß gebrachte, dem Verstand zugängliche Seite des Unheimlichen kennen. Wir sehen nur Zeichen, im Falle der Apollopriesterin in Delphi könnte man sagen, Symptome, die auf die Anwesenheit des Numen deuten. Wir sehen das Walten, die Wirkung; verborgen bleibt der Gott selbst, nicht allein für den ratsuchenden Appius, sondern auch für den Leser. Meine These dazu ist, daß das furchterregende Numinose die antike Entsprechung des modernen Geister- und Gespenstergrusels darstellt.
Noch zwei Metonymien:
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V 206 vindicis an gladii facinus poenasque furorem: furor "Raserei"; hier "Größenwahn", "die Tat des rächenden Schwerts und die Strafe für den Größenwahn".
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V 233 (infesta) tumidis: tumidus ist eigentlich "geschwollen", hier aber "allzu hochfahrend, stolz, übermütig"; "die den Übermütigen feindliche (Nemesis)"