Und, ah!, wie mich das ärgert. Dieses Wählerische. Die ewige Zurücksetzung. Und daß wir Männer uns immer und immer die Köppe einschlagen müssen, während die Frauen dasitzen, zugucken und am Ende den lädierten Sieger in die Arme schließen dürfen – zumindest so lange, bis ein anderer Herausforderer antritt. Es ist lächerlich. Es ist unwürdig. Es ist empörend. Und daß niemand etwas dafür kann, weil es in der Natur der Sache liegt, das macht es nicht besser, das macht es nur noch viel schlimmer. Auch wenn ich aus dem Alter raus bin.
Hätte ich die zuletzt erwähnte Statistik damals, als ich noch nicht aus dem Alter raus war, schon gekannt, wäre meine Frustration zwar nicht geringer gewesen, aber ich hätte eine Erklärung gehabt, warum es auf der Datingplattform nicht voranging. Vielleicht hätte mich das mit einer Art von befriedigtem Ingrimm erfüllt. Warum ich nie angeschrieben wurde. Warum auf die meisten meiner eigenen Zuschriften nicht einmal eine Ablehnung zurückkam – als wäre schon mein Ansinnen ungebührlich. Als hätte ich nach etwas greifen wollen, das nicht für mich bestimmt war. War es auch nicht, offensichtlich. Aber als ob ihr, liebe Angeschriebene, so unglaublich der Reißer gewesen wärt. Ich habe da meinen eignen Marktwert schon mit eingerechnet, als ich euch und nicht die heiße Schwarze mit dem verruchten Blick angeschrieben habe. Gegen die kamt ihr nämlich auch nicht an. Meint ihr, bei euch gäbe es kein Mittelmaß?
Die Anzahl der Zuschriften auf Datingplattformen ist außerdem auch noch Pareto-verteilt. Jeder, der sich schon einmal gefragt hat, warum das nicht so recht zündet mit dem eigenen Blog, der eigenen Video-Seite, den Strickmustern oder Katzenbildern, hier ist das Geheimnis: Blogs und ganz allgemein Webseiten verhalten sich wie Großstädte, bewaffnete Konflikte, das Jahreseinkommen und die Wörter einer Sprache: Sehr, sehr wenige haben sehr sehr viel, der klägliche Rest verteilt sich dünn ausgestrichen auf die Masse. Sehr wenige Blogs ziehen sehr viele Follower an sich, während sehr, sehr vielen Blogs nur eine Handvoll Leser folgt; sehr wenige Städte haben mehrere Millionen Einwohner, sehr viele Städte nur ein paar tausend; große Opferzahlen findet man bei sehr wenigen Kriegen, in den meisten sterben nur wenige Menschen; nur eine handvoll Wörter führen die Häufigkeit in Texten an, während die meisten Wörter selten sind; sehr wenige Menschen sind stinkreich, aber sehr viele bettelarm. Und eben: Sehr wenige Paarungsbereite bekommen die überwiegende Mehrzahl aller Zuschriften auf einer Datingplattform. Man braucht ein ziemlich dickes Fell, wenn man sich dort tummelt. Spaß macht das nur, wenn man einer der wenigen ist, die den Löwenanteil von Zuschriften bekommen, und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß man das nicht ist.